Skinimalismus: Weniger ist das neue Mehr!

Die ein oder andere von euch kann sich vielleicht noch an die Zeiten meines Sunday Facials (mehr dazu hier) erinnern. Damals absolvierte ich fast religiös eine Beautyroutine, inspiriert von koreanischen Pflegeritualen, mit unzähligen Schritten: Double Cleansing, Peeling, mehrere Masken, Toner, verschiedene Seren, Microneedling… Halleluja – unter einer Stunde war ich da aus dem Bad nicht raus! Dass dieses ausufernde Produktlayering nun ganz klar der Vergangenheit angehört, hat natürlich einen eindeutigen Grund: Meine Periorale Dermatitis! Die Überpflegungsreaktion meiner Haut zwingt mich nun schon seit fast drei Jahren zu einer sehr bewussten und abgespeckten Pflege- und Reinigungsroutine, hat mich dazu gebracht, bestimmte Inhaltsstoffe ganz zu meiden und und mich in Verzicht geübt. Aber: Damit bin ich nicht alleine.

Bereits seit ein paar Jahren lässt sich eine Trendwende erkennen: Weg von „viel hilft viel“ und hin zu „weniger ist mehr!“. Die Coronakrise, der daraus resultierende Fokus auf das Wesentliche und die neue Wertschätzung der eigenen Zeit, aber auch der globalen Ressourcen, hat diese Entwicklung nur noch beschleunigt und so hat die Trendplattform Pinterest den Skinimalismus als DEN absoluten Beautytrend für 2021 ausgerufen! Die Wortneuschöpfung aus „skin“ und „Minimalismus“ beschreibt dabei ganz unterschiedliche Aspekte und Entwicklungen, in allen Beautybereichen. In Sachen Make-up zeigt sie das Ende von Contouring, Baking und allen anderen zeit- und produktintensiven Techniken auf, bei denen man drölftausend verschiedene Texturen und Farben im Gesicht platziert, um am Ende auszusehen wie ein anderer Mensch. In Sachen Hautpflege geht es beim Skinimalismus besonders um Natürlichkeit, Effizienz und die Abkehr von unrealistischen Beautystandards.

Die Devise lautet: No bullshit! Statt komplizierten Routinen, bestehend aus vielen verschiedenen Produkten, zu denen bei jedem neuen Launch noch weitere hinzu kommen, sehnen sich KundInnen rund um den Globus jetzt nach einfachen Konzepten und Produkten, die einem nicht noch neue Probleme oder Makel suggerieren, sondern realistische Versprechen machen und diese dann auch einhalten können. Slow Beauty ist das Äquivalent zur Slow Fashion und stellt ähnliche Ansprüche an die Industrie: Was ist drin? Wo kommt es her? Gibt es Refill-Systeme? Transparenz und Verantwortung bei der Produktion werden ganz klar eingefordert und statt sich von retuschierten Werbekampagnen blenden zu lassen, wird lieber der direkte Kontakt zur Brand auf Instagram gesucht.

Klar, so eine Veränderung dauert und der Großteil der KonsumentInnen lässt sich sicherlich nach wie vor von vollmundigen Werbeversprechen zum Kauf verleiten. Aber: Es passiert was. Das ist eindeutig!

Bild: Kerstin Rothkopf

Ich persönlich merke das in meiner Community sehr stark und spüre, dass bei vielen von euch ein ganz selbstverständliches Bewusstsein für den eigenen Konsum und die damit einher gehende Macht da ist. Und auch bei mir selbst ist die Veränderung ganz klar zu erkennen. Habe ich zu Beginn meiner Beauty-Karriere (als angestellte Redakteurin) fast ausschließlich über die Produkte und Forschung der Big Player im Markt geschrieben und mich mit der 1000. Variante ein und derselben Creme befasst, sind es heute die Nischenmarken, neue Konzepte und Philosophien, Herstellungsmethoden und die Menschen hinter den Produkten, die mich reizen. In meinem Badschrank findet sich eigentlich kaum mehr einer dieser Big Player wieder, die mir noch vor 8 Jahren als einzig relevante Brands erschienen.

Aber nicht nur der bewusste Konsum ist Teil des Skinimalismus. Auch die Abkehr von unrealistischen und schädlichen Schönheitsidealen. Dass Haut Poren, Pickel oder Falten hat, ist uns zwar eigentlich allen bewusst, aber Werbung, TV oder social media suggerieren uns doch irgendwie immer das Gegenteil. Das Resultat: Noch mehr Produkte, die man meint zu brauchen, um auch endlich so auszusehen, wie die Frauen in der Werbung und die Verwendung von noch mehr Filtern, die die Haut glattgebügelt und ebenmäßig erscheinen lassen – ein Teufelskreis. Die Entwicklung hier ist zwar langsam, aber in meinen Augen unaufhaltsam: No Filter, echte Haut und das Thematisieren von Hautproblemen rückt auch in den sozialen Medien immer stärker in den Vordergrund. Es geht um echte Haut und die damit verbundenen echten Erwartungen, die man Hautpflege stellen kann. Und das versuche auch ich mit meinen Empfehlungen immer wieder deutlich zu machen: Es gibt keine Beautywunder! Es gibt nicht die eine Pflege, das eine Produkt, das deinen ganz individuellen „Problemen“ endlich ein Ende setzt. Hautpflege ist so unfassbar individuell und diffizil, man braucht Geduld und ein ordentliches Erwartungsmanagement.

Gerade deshalb ist es so wichtig, diese absurde Vorstellung der perfekten Haut als oberstes Ziel, die uns seit Jahrzehnten in den Kopf gehämmert wurde, zu hinterfragen und mit einer ordentlichen Portion Realismus auszuhebeln.

Deine Haut ist deine Haut – und die wird dir immer mal wieder gegen den Karren fahren, deine Gefühle und Gesundheit spiegeln und dich trotzdem als größtes Organ mit aller Kraft schützen. Deshalb macht es absolut keinen Sinn, gegen sie zu kämpfen, an ihr zu verzweifeln oder ihre ganz grundlegenden Bedürfnissen zu ignorieren. Ja, das musste ich auch erstmal lernen und so schien es mir komplett neu, als ich mich vor über zwei Jahren zum ersten Mal mit dem Thema pH-Management (mehr dazu hier) befasste. Erst da fing ich an, meine Haut nicht mehr als Problem, Feind oder Makel zu begreifen, sondern einen Verbündeten, der sehr vieles schon alleine kann und ich ihm eigentlich nur helfen muss, seinen Job ordentlich ausüben zu können. Und auch wenn ich mich in anderen Lebensbereichen ganz sicher nicht als überzeugte Minimalistin bezeichnen würde, muss ich diese Entwicklung in Sachen Beauty doch ganz klar unterschreiben. Ich persönlich habe die Nase voll von Werbekampagnen oder Produktlaunches ohne jeden Inhalt, von Brands, die den Schuss einfach nicht gehört haben und nachhaltigkeitstechnisch noch in den 80ern hängen oder glauben, niemals von ihrem hohen Ross gestoßen werden zu können.

Deshalb: Lasst unsere Haut doch einfach Haut sein lassen, unsere Macht als KonsumentInnen erkennen und nutzen und vor allem mit uns selbst und unseren Erwartungen an Beautyprodukte realistischer sein. Beauty kann viel und hat auch emotional einen hohen Stellenwert in meinem Leben. Das heißt aber nicht, dass mehr davon auch mehr bringt. Es geht um die richtigen Produkte für das ganz individuelle Bedürfnis, um eine Routine, die mit dem individuellen Leben und Alltag vereinbar ist und um ganz viel Nachsicht mit sich selbst. Vielleicht liegt es auch am Alter, aber ich persönlich merke, dass ich sehr viel entspannter mit mir und meinem Äußeren umgehe, meine Ideale sich verschieben und ein bad-skin-day nicht unbedingt ein schlechter Tag werden muss.

Deshalb freue ich mich sehr über den viel gegoogelten Trendbegriff des Skinimalismus, der zwar nur als Definition alleine nichts bewegt, aber der eine Entwicklung beschreibt, der ich mich persönlich verbunden fühle.

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