Von der Kilo-Krise in die Identitätskrise: Minus 10kg – und dann?

Eigentlich ist meine Abnehm-Geschichte ja eine ziemliche Erfolgsgeschichte. Ich habe in wenigen Monaten knapp 10 Kilo verloren – und das ohne Hungern oder Jo-Jo-Effekt. Und trotzdem gibt es da ein paar Dinge, die mich beschäftigen. Umstände, an die ich vorher nicht gedacht habe, weil ich bisher noch nie ab- oder zugenommen habe. Gedanken, die ich mit Euch teilen möchte.

Glaubt mir, ich bin unsagbar froh, dass ich mich in meinem Körper endlich wieder zuhause fühle.

Ich hatte Euch ja bereits in meinen vorangegangen Artikeln zu diesem Thema erzählt, dass ich mein ganzes Leben lang ein Spargel war und mir nie, also wirklich nie, nie, nie Gedanken um das Thema Ernährung machen musste. Bis – ja bis ich es dann doch musste. Weil mein Körper schlicht und einfach unter der konstanten Zuckerzufuhr kapituliert hat und mein Stoffwechsel blockierte (alles zu diesem Thema könnt Ihr hier, hier, hier und hier nachlesen).

Aber auch trotz des erfolgreichen Resets meines Stoffwechsels, der Ernährungsumstellung, mit der ich sehr gut zurecht komme und der neuen Jeansgröße, bedeutet so stark abzunehmen ebenso Veränderung, wie das vorangegangene Zunehmen. Und Veränderung bedeutet Umgewöhnung. Während die ersten paar Kilo purzelten, war alles gut und wenig weltbewegend. 10 Kilo später aber, muss ich sagen, dass ich in einer kleinen Identitätskrise stecke. Ich wiege inzwischen weniger, als ich es seit Mitte 20 getan habe, passe in keine meiner Hosen mehr rein (auch nicht in die, die ich mir erst vor wenigen Wochen gekauft habe) und bin mir nicht so recht sicher, wie ich das finde.

Und wisst Ihr, was das Verunsicherndste daran ist?

Seitdem ich abgenommen habe, sagt mir jeder wie super mir die wiedergewonnene Schlankheit steht. Schon klar, das ist nett gemeint und die Leute wollen mich einfach auf meinem Weg bestärken, aber: Da kommt man doch nicht umhin sich zu fragen, wie schlimm man wohl vorher ausgesehen haben muss. Und diesen Gedanken halte ich für sehr gefährlich. Ich bekomme also Komplimente für meinen Abnehmerfolg, soll Tipps und Ratschläge verteilen und werde für meinen plötzlich viel flacheren Bauch gelobt. Auf der anderen Seite kommen jetzt aber die ersten Freunde daher, die sich besorgt zeigen und im warnenden Ton mahnen: „Mehr darfst du jetzt aber nicht abnehmen!“ Und in der Mitte stehe ich – die sich noch immer nicht so recht darauf eingestellt hat, der neuen Zahl auf der Waage nicht wirklich traut und nicht weiß, ob es kilotechnisch nun noch weiter nach unten geht oder ob ich mein Gewicht halten werde. Und genau das ist der springende Punkt:

Geht es beim Gewicht nicht eigentlich darum, dass ich mich wohlfühle?

Der einzige, der in den letzten Monaten etwas in diese Richtung gesagt hat, ist mein Freund (der übrigens angeblich auch überhaupt nicht gemerkt haben will, dass ich jemals zugenommen habe). Als ich ihm beim Abendbrot erzählte, dass ich wieder zwei Kilo verloren habe und mir eine Freundin heute gesagt hatte, dass sie mein Gewicht inzwischen „grenzwertig“ findet, sagte er nur trocken: „Fühlst du dich denn unwohl?“ Wow – darüber hatte ich in der ganzen Zeit noch gar nicht nachgedacht.

Primär stand bei mir ja auch nie das Abnehmen im Vordergrund, sondern vielmehr das Erlernen einer gesünderen Ernährung. Die Kilos purzelten dann ganz von alleine. Deshalb habe ich mir auch nie ein Zielgewicht gesteckt oder mein Wohlfühlgewicht definieren können. Ich habe einfach mal gemacht und geschaut was passiert. Aber jetzt, wo ich am unteren Ende meiner erwarteten Gewichtsskala angekommen bin, fällt es mir irgendwie schwer, überhaupt eine Meinung zu meinem Gewicht zu haben. Ganz ehrlich: Das Zunehmen im vergangenen Jahr ging so rasant, wie auch das Abnehmen. In all der Zeit hat sich bei mir nie so recht ein Körpergefühl einstellen können – es war schlicht und einfach so.

Im einen Moment greifst du zur Größe 40 und im nächsten passt dir die 36 nicht mehr.

Bitte versteht das nicht als Beschwerde von wegen „Ich bin so schlank, ich arme Maus!“ – aber in Magazinen und Büchern findet man immer nur Anleitungen dazu an Gewicht zu verlieren oder Ratschläge, wie man es hält – nirgendwo aber wird thematisiert, wie man dann mit dem neuen Körper umgehen soll oder dass der Spagat zwischen „altem“ und „neuem“ Gewicht auch einfach verwirrend sein kann.

Ich habe zu viele Freundinnen, deren Essverhalten in die Kategorie „gestört“ fällt und bei nicht wenigen fing alles mit einer harmlosen Diät an. Das Glücksgefühl die ersten Kilos zu verlieren, der Erfolg und nicht zuletzt die Komplimente, die plötzlich von allen Seiten auf dich einprasseln, können toxisch sein und das gesunde Gefühl zum eigenen Körper nachhaltig schädigen. Genau deshalb halte ich gerade ein wenig inne, versuche in mich reinzuhören und schreibe diesen Text.

Weil ich es verdammt nochmal wichtig finde, auch diese Seite zu thematisieren und Euch nicht nur vorzugaukeln, dass Abnehmen nur easy und toll ist.

Ja, ich bin stolz auf mich und ja, ich fühle mich deutlich wohler, als noch vor einem Jahr – aber trotzdem muss ich mich erstmal an die neue Situation gewöhnen, muss sehen, wo es für mich hingeht und mich komplett frei von den Kommentaren anderer Leute machen. Ob sie mich nun feiern oder mich bereits zu dünn finden – völlig Wurscht! Hier geht es um mich, meinen Körper, meine Gesundheit und meinen Weg, das Gewicht zu finden, bei dem ich mich wohlfühle. Egal ob mich dann irgendwer für zu dünn oder noch nicht dünn genug hält. Soviel ist mir persönlich schon mal klar.

Es geht um mich.

Ich werde im neuen Jahr einen erneuten Bluttest machen, um den Stand meiner Insulinresistenz zu überprüfen. Hat sich was verändert? Sind die Werte gleich geblieben? Dann werde ich mit meinem Arzt klären, inwiefern wir mit der Ernährung darauf reagieren können oder eben nicht. Denn wie ich von Tag 1 meiner Diagnose an gesagt habe: Es geht um meine Gesundheit und was ich mache ist keine Diät, sondern eine Ernährungsumstellung, die mich davor bewahren soll, irgendwann Diabetikerin zu werden. Deshalb schmeiße ich das jetzt auch nicht alles über Bord, nur weil ich abgenommen habe.

Das wäre schlicht und einfach dumm und ich würde irgendwann enden wie Mariah Carey, die zu ihren Touren immer perfekt eingenäht in ihren Bodycon-Kleidern erschien, nach der Tour aber aufging wie ein Hefekloß.

Wie mein Freund neulich sagte: „Lieber gesund und ein bisschen dünn, als „normal“ und krank.“ Da hat er absolut Recht und ich bin unfassbar dankbar, von seiner Seite Unterstützung statt Druck zu bekommen. Den haben wir in der heutigen Zeit des Magerwahns und Bodyshamings (geht übrigens in beide Richtungen) sowieso schon zur Genüge. Jeder Körper tickt anders, sieht anders aus und fühlt sich anders an. Deshalb kann es auch keine Zahlen geben, die dahingehend irgendetwas definieren. Wo mein Wohlfühlgewicht genau liegt, weiß ich noch nicht.

Aber das lasse ich mir ganz sicher nicht von BMI’s, Konfektionsgrößen oder Komplimenten diktieren!

 

19 Antworten zu “Von der Kilo-Krise in die Identitätskrise: Minus 10kg – und dann?”

  1. In deiner Geschichte finde ich mich wieder. Ich hatte über 10 kg abgenommen und musste damit auch erst einmal klar kommen. Auf einmal war es ein bisschen zu wenig und dann die vielen Kommentare dazu. Danach hat es aber nicht lange gedauert bis ich tatsächlich mein Wohlfühlgewicht erreicht hatte. Jetzt bin ich schwanger und habe +20 kg drauf. Kannst dir ja vorstellen was gerade los ist… „Bekommst du Zwillinge? Sicher, dass das Baby erst dann und dann zur Welt kommen soll? Das ist aber ganz schön viel!“ – am laufenden Band. Meine Güte (stelle dir ein Augenrollen vor).

    • Und genau das meine ich: Wieso denken alle, sie dürften Ihren Senf dazugeben? Keiner macht sich vor seinen Kommentaren wirklich Gedanken darum, was er eventuell damit anrichtet. Finde ich nicht cool und wird mir gerade zum ersten Mal so richtig bewusst!

  2. Wow, toller Artikel! Finde auvh super, dass du die vielen Kommentare über dein Gewicht ansprichst: Klar, wenn man etwas abgenommen hat und jemand das bemerkt, ist das ein gutes Gefühl. Aber viele meiner Freundinnen leiden unter Essstörungen und für die sind ständige Kommentare zum Gewicht eine Riesenbelastung. Bei manchen haben sie sogar die Erkrankung noch getriggert. Und noch ein Gedanke: Ich würde behaupten, dass vor allem Frauen von diesen Bemerkungen betroffen sind und frage mich, warum unsere Körper immernoch „öffentlicher Diskussionsgegenstand“ sind!? Anyways, ich wünsche dir nur das beste für dein Wohlfühlbefinden ?

    • Danke dir für deine lieben Worte 🙂 Ich glaube auch, dass das besonders ein Frauen-Ding ist (wie gesagt, mein Freund will ja nichts bemerkt haben). Ich habe mich natürlich auch sehr über die Kommentare gefreut – besonders zu Beginn, aber irgendwann steckst du zwischen so vielen Meinungen und musst erstmal rausfinden, was eigentlich deine eigene ist. ich denke da können wir uns alle mal an die eigene Nase fassen und einmal kurz überlegen, bevor wir den Körper einer anderen Person beurteilen 😉

  3. Liebe Karoline,
    ja, es ist ein schwieriges Thema, weil es einen als Person in seiner Gesamtheit betrifft. Das Denken, Fühlen und Handeln richtet sich nach der körperlichen Verfassung und umgekehrt… Deswegen habe ich eine ganz klare Meinung dazu: Mein Gewicht ist „perfekt“ (allein da beginnt schon die Frage nach Definition), wenn ich mich fit, vital, ausgeglichen, energiegeladen, konzentriert, attraktiv und mit mir „im Reinen“ fühle. Da interessiert es mich nicht, wie Person X oder Y das nun findet, ich muss letztlich 24h mit mir leben…Und by the way: Mach weiter so, dein Blog ist mega!!!
    Sarah

    • Liebe Sarah, vor so viel Reflektiertheit ziehe ich meinen Hut 😉 Da hast du den bestmöglichen Weg für dich erkannt und akzeptiert und ich kann mir von dir eine große Scheibe abschneiden 🙂 Liebst, Karo

  4. Hi Karo,

    Vielen Dank für deine offenen und ehrlichen Berichte. Die kommentare vom Umfeld kenne ich auch- um so wichtiger dass du einfach darauf achtest wie du dich wohl fühlst. Ich habe das auch hinter mir und spiele im Moment mit dem Gedanken der Insulin trennkost- viel esse ich nicht aber trotzdem geht es eher rauf als runter. So kenne ich meinen Körper gar nicht!

    Ich bin aber verunsichert, weil man nach der Trennkost ja eigentlich mehr ist (oder zumindest regelmäßiger) und ich oft gelesen habe dass das nur etwas für übergewichtige ist und nicht für Menschen mit Normalgewicht. Kannst du ein bisschen mehr von deinen Erfahrungen erzählen?

    Liebe Grüße, Eli

    • Hallo liebe Eli,

      also das mit dem mehr essen, kann ich bei dieser Ernährung gar nicht sehen. Ich esse zwar immer so viel, dass ich satt bin, aber definitiv nicht mehr als vorher, weil ich zwischen den drei Mahlzeiten nichts esse. Morgens gibt es eine große Portion Müsli, Mittags meist Pasta und abends dann nur noch Eiweiß. Immer 5 Stunden zwischen den Mahlzeiten und keine zuckrigen Getränke – das ist eigentlich das Wichtigste. Für mich funktioniert das super und ich hungere wirklich null. Probieren kannst du es ja mal und schauen, ob es was für dich ist 🙂

      Liebe Grüße,
      Karo

  5. Danke Karo für diesen perfekte thematisierten Artikel. Freundschaften sind bei mir zerbrochen weil ich als gestört und Magersüchtig galt und einfach nur weil ich auf Grund vieler Intoleranzen und Blutzuckerspiegel Störung sehr auf das achten musste/ muss was ich esse. Ansonsten geht es mir f* schlecht.
    Prio eins war meine Gesundheit, doch in den Augen der anderen zählte nur der BMI.
    Es hat mich wahnsinnig gemacht, denn diese ständige Rechtfertigung gegenüber der anderen hat mich nur unter Druck und Stress gesetzt.
    Nach 3 Jahren pendelt sich langsam mein Körper ein. Heute gehe ich viel liebevoller mit ihm um und Danke ihn für seine Heilung die ich nur durch mein gesundheitliches mindset Handeln erzielen konnte.
    Ich rate jedem… hört auf euch!! Es geht einzig sich in seinem eigenen Körper wohlzufühlen um euch dann selbst du lieben zu können.
    Give a shit zu BMI und Konfektionsgrößen. Du bist weder noch, aber ich glaube nur im Frieden mit seinem Körper zu sein bringt selbstlove und davon profitiert im Grunde auch nur deine Außenwelt.

    • Vielen Dank für dein Feedback und deine persönlichen Erfahrungen. Ich denke auch, dass es keine bessere Medizin gibt, als Zufriedenheit. Das darf man nie, nie vergessen!

  6. Ein echt toller Artikel!

    Es geht um Dich – um Deine Gesundheit und du sollst dich wohl fühlen, oder? Klar, wenn man „etwas“ diagnostiziert bekommt, ist es nicht so einfach und wenn man die Ernährung umstellt und man eine Chance hat, dass dieses „etwas“ (evtl. Blutzuckerkrankheiten oä) eventuell besser werden könnte oder gar verschwindet – ja mei‘ dann nimmt man halt ab. Ist so. Die Leute sollen es akzeptieren.
    BMI ist übrigens so eine Sache, da hätte jeder Spitzensportler wohl einen zu hohen, weil die ja viel mehr an Muskelmasse oft haben.
    Ich habe jetzt auch 8kg abgenommen – klar fühle ich mich in Hosengröße 40er wohler als in 42 … und mein J-Lo-Popo ist nicht mehr ganz so ein krasser Stockerlpopo. …doch wenn ich die Umstände betrachte, warum ich abgenommen habe; Todesfall in der Familie, Besorgnis um meinen Job … ist das auch nicht so schön.
    Who cares? Es ist mein Leben … und vielleicht schaffe ich doch die paar Kilo noch – falls ich die nächsten Jahre schwanger werden sollte, geht das Gewicht dann eh‘ wieder rauf.

    Fühle dich wohl in deiner Haut – du musst es keinem rechtfertigen …

    PS: und das Thema Magersucht habe ich bei meiner Cousine ganz schlimm erlebt. Über 1,70 groß und unter 40kg … ab da sollte man sich dann theoretisch mal Gedanken machen, vorher nicht (so meine Meinung)

    • Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und deinen Erfahrungsbericht. Ich denke auch, dass es alleine um einen selbst geht und zwar begründete Sorge gerne ausgedrückt werden kann, aber eben nicht zu jedem Kilo hin oder her ein Kommentar kommen muss. Damit lernt man aber mit der Zeit auch sicher besser umzugehen. So geht es mir zumindest 🙂

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