Wie funktioniert eigentlich die Liebe? Eine Stunde beim Paartherapeuten

Wie funktioniert die Liebe?

Die einen suchen sie, die anderen tun alles um sie zu halten und wiederum andere zerbrechen an ihr.

Die Liebe ist Mythos und Motivation zugleich und beschäftigt – in irgendeiner Form – jeden von uns. Aber wie funktioniert sie eigentlich? Was lässt uns Verliebtheit spüren? Wievielt Kraft darf sie kosten und wo genau liegt der Unterscheid zwischen Verliebtheit und Liebe?

Als ich vor ein paar Monaten in der ELLE auf ein Interview mit dem Paartherapeuten Holger Kuntze stieß, der über sein Buch „Lieben heißt wollen“, die Definition von persönlicher Freiheit in einer Beziehung und dem Mythos des idealen Partners sprach, bestellte ich mir zum ersten Mal in meinem Leben ein Buch, dass in die Rubrik „Ratgeber“ fällt. Wieso? Weil seine Antworten, Denkansätze und Beispiele so konkret und wahr waren, dass ich unbedingt mehr erfahren wollte.

Als Dauer-Single, der vor drei Jahren plötzlich und unerwartet in eine echte und aufrichtige Beziehung stolperte, gibt es für mich gefühlt unendlich viele Fragen in Sachen Liebe.

Auch nach drei Jahren erscheint mir die Paarbeziehung immer noch als das größte Wunder der Menschheitsgeschichte und ich frage mich immer wieder, ob die Vorstellung einer Liebe bis ans Lebensende eigentlich nicht längst eine überholte Idealvorstellung ist oder vielleicht doch noch im Bereich des Möglichen liegt.

Und wer Fragen hat, soll sie bekanntlich stellen. Deshalb habe ich dem Experten Holger Kuntze kurzerhand all meine Fragen zum Thema Liebe, Beziehung, persönliche Freiheit & Co. gestellt und möchte seine Antworten heute mit Euch teilen.

Frollein Herr: Lieben heißt wollen: Ist die Liebe/Beziehung denn eine bewusste Entscheidung?

Holger Kuntze: „Ja und Nein. Nein, weil die Liebe ideal einer gemeinsamen Verliebtheit folgt, die meist spontan und unbewußt erfolgt. Ja, weil viele das Gefühl der Liebe zu einem Menschen gar nicht mehr benennen können, weil wir so fixiert auf die Verliebtheit sind. Entsprechend braucht es eine bewußte Entscheidung zu dem Gefühl von Sicherheit, Ruhe, Ankunft, Verbundenheit „Ja“ zu sagen und zu erkennen, dass das Liebe ist.“

F.H.: Ist es denn heutzutage überhaupt noch möglich, die ewige Liebe zu finden oder ist das inzwischen eine veraltete Wunschvorstellung, die mit den heutigen Anforderungen an uns und unser Leben nicht mehr kompatibel ist?

H.K.: „Für mich hat eine gute und dauerhafte Beziehung eine ganz eigene Qualität, die einzig durch die Dauer möglich ist. Und natürlich können wir auch heute noch die ewige Liebe gemeinsam leben, wenn sich zwei Menschen finden, die den Zustand der Verbundenheit in Dauer und Nähe gleichsam als erfüllend wahrnehmen. Und solche Paare gibt es ja. Ob das eine veraltete Wunschvorstellung ist, glaube ich nicht. Ich weise in meiner paartherapeutischen Arbeit immer darauf hin, dass man umgekehrt sehr genau darauf achten sollte, ob nicht die vermeintlich aktuelle, neue Wunschvorstellung eine Partnerschaft in anhaltend positivem Erlebnis- und Überraschungsmodus zu leben uns langfristig zufrieden macht. Ich habe da eher den Verdacht, dass wir bei dieser Vorstellung einer Idee hinterher rennen, die kaum mit Leben zu füllen ist.“

F.H.: Wenn das Verliebtheitsgefühl weicht, ist man vielleicht geneigt, an der Beziehung zu zweifeln. Was raten Sie hier?

H.K.: „Erstens: Zweifeln Sie eher an Ihren Zweifeln. Sie müssen nicht immer alles glauben, was Sie gerade denken oder fühlen. Natürlich ist auch eine gute Beziehung nicht immer Sonnenschein. Wir ärgern uns über unseren Partner, wir streiten uns, wir sind in manchen Dingen anderer Meinung, haben unterschiedliche Bedürfnisse. So what? Beziehung ist ein idealer Ort, um sich zu verändern, zu wachsen, neue Erfahrungen zuzulassen. Das ist eine riesengroße Chance, die wir nutzen sollten. Zweitens: Hören Sie in sich hinein und fühlen das leise Gefühl von Liebe, von Verbundenheit und Ankunft das in einer funktionierenden Beziehung immer kommt, wenn die Verliebtheit geht. Wenn nach der Verliebtheit nur Streit, Ärger, Leere, Fremde, Unverständnis, Krampf und Kampf folgt, dürfen und sollten Sie natürlich eine Beziehung auch beenden.“

F.H.: Es gibt in einer Beziehung ja immer wieder Phasen oder Lebensabschnitte, in denen sich beide Parts (oder nur einer) in irgendeiner Form verändern oder weiterentwickeln. Wie kann man es schaffen, darüber nicht die gemeinsame Basis zu verlieren?

H.K.: „Paare trennen sich ja interessanterweise nie, weil es aktuell schlecht in ihrer Beziehung ist. Paare trennen sich immer erst dann, wenn die gemeinsame Erzählung über die gemeinsame Vergangenheit verblasst oder sich als einseitiges Märchen entpuppt („Ich war nie in Dich verliebt!“ oder „Ich wollte Dich eigentlich nie heiraten.“) und wenn die gemeinsamen Projekte einer gemeinsamen Zukunft schwinden („Ich will Kinder aber nicht mit Dir.“, „Ich will nicht mit Dir alt werden.“). Diese beiden Aspekte von lebendiger Vergangenheit und Zukunft sind ja die eigentliche Basis einer Beziehung und nicht die gemeinsamen Interessen oder Hobbies. Wenn Paare gemeinsam am narrativen Teppich Ihrer Vergangenheit als auch Ihrer Zukunft weben, kann es in der Gegenwart rumpeln und krachen wie es will, das Paar wird zusammenbleiben und einen guten gemeinsamen Weg finden.“

F.H.: Wie lässt sich der Übergang vom Verliebtsein zur Liebe medizinisch erklären? Was haben unsere Hormone damit zu tun?

H.K.: „Vereinfacht ausgedrückt sind Liebe und Verliebtheit physiologisch also im Körper, neurologisch also in den Gehirnaktivitäten und psychologisch als in unserem Denken und Fühlen vollkommen andere Aktivitäten. In der Verliebtheit sind wir in sogenannten Stammhirnaktivitäten und der primäre Botenstoff ist das Streß- und Angsthormon Adrenalin. Verliebtheit basiert auf dem Umstand, dass wir einander fremd sind. Das ist Streß und Angst pur und wir nennen es Verliebtheit. Verliebtheit knallt auf allen Kanälen. Deshalb nehmen wir sie auch so intensiv wahr und deshalb sind wir auch gerne verliebt, weil uns die Verliebtheit intensiv in die Lebendigkeit schleudert. Das macht Achterbahnfahren aber auch…

In der Liebe hingegen sind wir in Groß- und Vorderhirnaktivitäten und die zentralen Botenstoffe sind Serotin (Zuständig für ruhige Zufriedenheit) und Oxytocin (zuständig für das Gefühl von Bindung und Ankunft). Liebe basiert auf dem Umstand, dass wir einander kennen und vertraut sind. Liebe ist ein ruhiges, leises Gefühl. Wenn wir in Liebe sind, denken wir fälschlicherweise wir sind im Zustand der Langeweile anstatt im Zustand der Zufriedenheit, Vertrautheit und der Bindung.“

F.H.: Was ist wenn ich bei der Wahl meiner Partner unbewusst immer wieder ein Schema verfolgen? Wie kann ich das unterbrechen?

H.K.: „Nur durch strenge Selbstanalyse. Wenn Sie das selbst nicht schaffen, aber permanent in leidhaften Beziehungen stecken, sollten Sie das unbedingt in Begleitung eines Therapeuten angehen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und entsprechend neigen wir dazu Muster zu wiederholen. Nicht weil wir die Muster so toll finden, sondern weil uns die Muster vertraut sind. Ich sage dann immer: Wie bevorzugen die Vertrautheit der Hölle gegenüber der Unbekanntheit des Paradieses. Und aus diesem Schema müssen wir raus, sonst erleben wir alle zwei bis drei Jahre die gleichen dysfunktionalen Beziehungsverletzungen und das gilt es zu vermeiden.“

F.H.: Sie erwähnen oft das verhaltenspsychologische Konzept der „psychologischen Flexibilität“. Was ist das und wozu brauche ich es in meiner Beziehung?

H.K.: „Psychologische Flexibilität oder Selbstregulation bezeichnet unsere Fähigkeit nicht im unmittelbaren Affekt auf die Bedürfnisse des Partners reagieren zu müssen. Also zwischen Reiz und Reaktion auch mal eine Pause einlegen zu können. Die Fähigkeit nicht jeden Standpunkt meines Partners als Angriff auf mein Ego oder meine Autonomie sehen zu müssen. Zwischen meinen Bedürfnissen und den Bedürfnissen meines Partners zu unterscheiden zu können und doch den Bedürfnissen meines Partners Raum zu geben und als Zeichen meiner Liebe auch Bedürfnisse meines Partners zu erfüllen, selbst wenn ich gerade andere Bedürfnisse habe.

Ohne die Fähigkeit zur psychologischen Flexibilität können wir auf Dauer nicht in einer guten, positiven, erfüllenden, liebevollen Beziehung leben. Das Gegenteil davon ist psychologische Starre und die äußert sich darin, dass ich permanent an meinen Vorstellungen festhalten will und mich rigoros von meinem Partner trenne, wenn dieser nicht permanent meine Bedürfnisse erfüllt.“

F.H.: Sie sagen, dass es in einer Paarbeziehung gar nicht unbedingt auf die Kompromissfindung ankommt, sondern darauf, mit den Wünschen des Partners konstruktiv umzugehen. Wie sieht das konkret in einer Konfliktsituation aus?

H.K.: „Ich arbeite mit dem Begriff der Vereinbarung. Eine Vereinbarung muss nicht fair sein oder 50:50. Ein Paar kann sich auch auf eine vermeintlich total unfaire 80:20 Lösung einigen. Zentral müssen Paare sich von der Vorstellung lösen, dass Kommunikation oder Konflikte dem Zweck dienen einander von der Richtigkeit der eigenen Position zu überzeugen oder unbedingt einen Kompromiss zu erstreiten. Kommunikation in einer Liebesbeziehung besteht einzig darin, sich gegenseitig darüber zu informieren, wie man die Dinge sieht. Mehr nicht. Das ist aber ungeheuer schwierig in der Umsetzung.

Wenn Sie Paarkommunikation schnellstmöglich verändern möchten, müssen Sie lernen zuzuhören und Fragen zu stellen, mehr braucht es meist nicht, um tiefgreifende Veränderungen zu erzielen. Meist führen wir aber nur Gespräche, damit wir antworten können und um unser Gegenüber von unserer Sicht der Dinge überzeugen zu wollen. Auf eine kurze Formel gebracht: Wir führen Gespräche weil wir ein Rede- und Überzeugungsbedürfnis haben, wir sollten aber Gespräche führen, weil wir ein Zuhör- und Erkenntnisbedürfnis haben.“

F.H.: Was hat die eigene Zufriedenheit mit sich selbst für eine Auswirkung auf die Beziehung?

H.K.: „Meine Erfahrung aus meiner therapeutischen Praxis ist: Je zufriedener ein Mensch mit sich selbst ist, desto variabler und liebevoller agiert er auch in einer Partnerschaft. Man sollte jetzt aber nicht den Umkehrschluß ziehen, dass Ich-Zufriedenheit deshalb die Grundvoraussetzung für eine liebevolle Partnerschaft sei. Auch eine liebevolle Partnerschaft sorgt für individuelle Zufriedenheit. Die Qualität einer Beziehung hat also auch massive Auswirkungen auf meine eigene Zufriedenheit. Sie können das eine nicht vom anderen trennen und müssen als Paartherapeut immer in beide Richtungen gleichzeitig arbeiten. Dieser Punkt ist deshalb so wichtig, weil immer wieder Partner in die Therapie kommen und der festen Überzeugung sind, dass die Probleme der Partnerschaft nur mit der mangelnden Selbstzufriedenheit des Partners zu tun habe, sie selbst also völlig verantwortungsfrei für den schlechten Zustand der Beziehung oder der Unzufriedenheit des Partners seien. Und das ist niemals der Fall.“

F.H.: Was ist, wenn mein Partner und ich sehr verschieden sind? Zum Beispiel kaum gemeinsame Interessen oder Hobbies verfolgen – ist so eine Beziehung zum Scheitern verurteilt?

H.K.: „Den perfekten Partner gibt es nicht. Jeder Mensch hat seine Eigenarten und Besonderheiten, seine Grenzen, Ängst oder Sorgen. Entsprechend ist nach der Verliebtheit das grundlegende Erleben in der Partnerschaft Differenz. Wenn Sie aber Differenz als Normalität und nicht als Problem ansehen, wird Ihre Beziehung dadurch automatisch sofort besser. Welcher Partner warum nicht zu mir passt, muss jeder für sich selbst definieren. Es gibt Partnerschaften die gehen wegen unterschiedlichem Musikgeschmacks auseinander, andere bleiben stabil zusammen haben aber über Jahre getrennte Wohnungen oder getrennte Freundeskreise. Das müssen immer zwei Menschen miteinander offen besprechen.

Wovor ich immer warne ist, dem anderen seine Bedürfnisse aufzwingen zu wollen. Sie können nicht mehr tun, als zu sagen: Das ist mir wichtig, das hätte ich gerne. Wenn Ihr Partner Ihnen dann diesen Wunsch nicht erfüllt, ist das eine Beziehungswahrheit. Sie können sich zu dem Umstand, dass Sie sehen, dass Ihr Partner Ihnen Ihre Wünsche und Bedürfnisse nicht erfüllt verhalten, indem Sie das akzeptieren oder die Beziehung dann beenden. Viele Paare verbringen aber ihre Zeit damit jahrelang darüber zu streiten und zu kämpfen, obwohl sie die Beziehungswahrheit längst kennen. –  Beurteilen Sie Ihren Partner und die Qualität ihrer Beziehung nicht an Worten oder Potenzialen sondern immer an Taten und Handlungen also an dem was ist und nicht an dem was sein könnte.“

F.H.: Wie gehe ich damit um, wenn mein Partner mich verletzt? Mich vielleicht sogar hintergeht und ich trotzdem an der Beziehung festhalten möchte?

H.K.: „Um eine Krise als Paar zu überwinden muss sich das Paar immer am Schmerz und der Trauer orientieren, nicht an Vernunft oder Fakten. Und wir müssen dann einander die Bereitschaft zeigen, die Dinge zu tun, die sich der andere wünscht, damit es ihm besser geht. Ich orientiere mich als Paartherapeut also immer an dem Partner mit dem aktuell höheren Schmerz, der höheren subjektiven Verletzung. Was nicht funktioniert sind Rationalisierungs- oder Objektivierungsstrategien wie: „Jetzt muss aber auch mal gut sein“. Oder: „Das ist jetzt vorbei und mehr kann ich nicht tun.“ etc. So funktioniert Heilung in einer Liebesbeziehung nicht. Heilung kommt nur, wenn auf den Schmerz, die Verletzung so lange regulativ reagiert wird, bis der Mensch im Schmerz oder der Trauernde sagt: „Jetzt geht es mir besser.“ Wenn sich mein Partner auf diesen Weg nicht einlassen will, wird es meist schwierig die Beziehung liebevoll und positiv weiterzuführen.“

F.H.: Ist Routine in einer Beziehung etwas Schlechtes? Muss Liebe immer aufregend sein?

H.K.: „Routine und Rituale sind umgekehrt etwas Wichtiges und Tolles in einer Beziehung. Sie geben uns Sicherheit, Verlässlichkeit und Ruhe. Niemand beschwert sich über die tägliche morgendliche Tasse Kaffee, die mir mein Partner ans Bett bringt, niemand ist unzufrieden, wenn mein Partner mir liebevolle Blicke oder Nachrichten sendet. Wer Routine mit Langeweile gleichsetzt oder von bestimmten Routinen frustriert ist, der blickt auf  negative Routinen und da muss sich jeder an die eigene Nase fassen: Wenn mich negative Routinen stören, ist es an mir, diese zu überwinden und nicht die Aufgabe meines Partners und natürlich ist es dann sehr hilfreich, wenn sich mein Partner mit mir auf die von mir initierte Überwindung einlässt.

Was die Aufregung angeht: Wie schon erwähnt, ist das körperchemisch gar nicht möglich oder vorgesehen. Gewöhnen wir uns also an den Gedanken, dass Liebe explizit nicht aufregend ist. Wenn Sie die ganze Langeweile der Liebe partout nicht aushalten: Gehen Sie Minigolf spielen. Im Ernst: Machen Sie etwas als Paar, was sie noch nie gemacht haben, machen sie etwas Fremdes, Neues, wo sie einander beobachten können, wie sich der andere dabei anstellt. Das ist wirklich so banal das klingt laut aktuellen Forschungsergebnissen ein verlässlicher Trick, um sich wieder als Paar in Schwung und Freude zu begegnen. Weil wir in der neuen Situation wieder das Gefühl von Fremdheit erleben.“

F.H.: Meinen Sie wir geben heute Beziehungen viel zu schnell wieder auf, weil uns irgendetwas nicht passt oder weil wir denken, wir finden noch etwas Besseres?

H.K.: „Die sozialen Medien, Datingportale, Tinder, allein der Griff zum Smartphone bieten heutzutage unendlich viele schnelle und jederzeit verfügbare Möglichkeiten Ärger, Beziehungsfrust im Außen zu regulieren, mich also anderen Menschen zuzuwenden und dadurch abzulenken. Meist führen diese Aktivitäten aber gleichzeitig zur Schwächung einer verbindlichen Beziehung. Was ich damit sagen will: Ich glaube nicht, dass wir aktuell Beziehungen deshalb aufgeben, weil wir denken, wir finden etwas Besseres, sondern weil wir eine zu geringe Frustrationstoleranz haben bei gleichzeitig zu vieler verfügbarer Mittel, uns in andere zwischenmenschliche Interaktionen zu flüchten. Und am Ende löst sich dann eine Beziehung dadurch eher versehentlich auf.

Ich habe Stress in meiner Beziehung und tindere mir den Ärger weg oder reaktiviere via Whatsapp alte Kontakte. Das lindert vielleicht meinen Ärger in der Beziehung, führt mich aber auch raus aus der Beziehung. Die umgekehrte Bewegung wäre die richtige und die beziehungsstärkende: Ich gehe dahin, wo der Ärger, der Stress, der Frust ist und wir sprechen offen miteinander über den Ärger, den Stress, um zu schauen, wie sich mein Partner verhält, wenn ich mich gefrustet, verletzlich und traurig zeige. Das sind die eigentlichen Wachstums- und Stärkungsmomente einer Beziehung und die nutzen wir kaum noch, weil wir lieber fliehen und klein bleiben als da bleiben und wachsen.“

F.H.: Wie viel Kraft darf eine Partnerschaft kosten? 

H.K.: „Wir wollen in einer Beziehung gesehen, gehört, gewollt sein, mit all unseren Fehlern und Schwächen. Wir benötigen, um als Menschen zu strahlen und zu blühen, gute, verlässliche Bindungen. Wir müssen uns fallen lassen können. Beziehung muss Raum und Sicherheit geben. Um das zu erreichen, müssen wir einander offen und wahrhaftig begegnen und wir müssen auf unseren Partner loyal und empathisch reagieren, auch wenn das immer wieder eine große Zumutung sein kann. Liebesbeziehungen sind große Wachstumschancen, ja Wachstumsverpflichtungen. Partnerschaft bietet uns die Chance über unsere eigenen Bedürfnisse hinauszuwachsen und eine Wir-Verwirklichung als Paar zu erleben und lebendig zu machen, die einzgartig schön und berührend tief ist. Das zu erleben wünsche ich allen Liebenden und das sollte wenig Kraft kosten und viel Kraft geben.“

Mein Fazit

Liebe ist leise – das ist wohl eine der schönsten Erkenntnisse, die ich aus diesem Artikel mitnehme. Liebe ist nicht immer Feuerwerk, Atemnot und Purzelbaum. Liebe ist Vertrauen, Ruhe, Ankommen.

Immer wenn ich in meiner Beziehung Angst bekomme, dass Routinen schlecht sind, der Alltag zu einnehmend wird oder Unterschiede die Gemeinsamkeiten klein zu halten versuchen, möchte ich mich ab sofort daran erinnern, dass die Liebe zwar wunderbar, aber kein Wunderwerk ist, sondern dass wir selbst einen ganz erheblichen Hebel in der Hand haben, um unser Leben in der Beziehung so zu gestalten, wie es uns glücklich macht.

Deshalb sehe ich persönlich heute in Sachen ewiger Liebe ganz und gar nicht Schwarz – sondern Rosarot.

Das Buch „Lieben heißt wollen“ von Holger Kuntze bekommt Ihr hier.

2 Antworten zu “Wie funktioniert eigentlich die Liebe? Eine Stunde beim Paartherapeuten”

  1. Ich finde diesen Artikel super 🙂 Gerade, wenn man selbst einmal schlechte Erfahrungen in Beziehungen gemacht hat, dann kann das einen tatsächlich zum Zweifeln bringen, wenn es mal klappt. Aber Beziehungen sind eben Arbeit und man muss rausfinden, was einem gemeinsam taugt. Das ist ein Lernprozess. Natürlich ist das nun meine subjektive Meinung?

    • Das sehe ich genauso! Liebe ist schwierig, aber kein Mysterium, dass einem einfach so geschieht. Man kann viel dazu beitragen in welche Richtung sie geht und ist ihr nicht hilflos ausgeliefert. Das macht sehr viel Mut finde ich! Happy Sunday <3

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