Sunday Thoughts: Von wenig nachhaltigem Influencer-Marketing und dem eigenen Wert…

Niemand mag Menschen, die immer meckern.

Schon gar nicht dann, wenn es dabei um InfluencerInnen geht, die schließlich allem Anschein nach von nichts als freier Zeit und Pressegeschenken umgeben sind und sich dann auch noch erdreisten, Kritik an ihrer Branche zu üben. Schließlich gibt es hunderte anderer Branchen, in denen Kritik weitaus angebrachter wäre und die noch dazu sicherlich viel mehr zum Allgemeinwohl und der Gesellschaft beitragen, als wir InfluencerInnen. Ganz ehrlich, das weiß ich.

Und genau deshalb beiße ich mir sicherlich neun von zehn Malen auf die Zunge, bleibe höflich und freundlich (schließlich ist mein Ruf mein Kapital und niemand möchte doch als „kompliziert“ gelten) und sage nichts. Aber wenn ich eines weiß, dann, dass sich durch Schweigen nichts ändert und dass ich selbst es in der Hand habe, wie ich meine Selbstständigkeit gestalte. Wieso sonst bin ich denn sonst mein eigener Boss? Und genau deshalb beiße ich mir bei einem von zehn Malen eben nicht auf die Zunge, sondern sage etwas.

Was das bringt? Zunächst mal fühle ich mich danach einfach besser. Runterschlucken funktioniert auf Dauer einfach nicht für mich und früher oder später muss man halt einfach mal aussprechen, was die Stimme im Kopf unaufhörlich und aus voller Brust schreit: „Nein! Einfach nein!“ Und ja, es gibt mir eine gewisse Genugtuung, wenn ich auf eine Mail, in der meine Arbeit unentgeltlich angefragt wird antworte: „Vielen Dank für Ihr Interesse an einer Zusammenarbeit, aber ich bin mir sicher, dass Sie verstehen werden, dass ich nicht umsonst arbeiten kann.“ Alleine diese Satz geschrieben zu sehen, führt mir immer wieder vor Augen wie absurd so manche „Kooperationsanfragen“ sind. Unter dem Wort Kooperation oder Zusammenarbeit verstehe ich nämlich komischerweise keine einseitige Beziehung. Und um das gleich mal vorweg zu nehmen – natürlich spreche ich hier nicht von den vielen, vielen tollen Marken, die ehrliches und authentisches Influencer-Marketing auf Augenhöhe betreiben. Die gibt es nämlich auch und die dürfen in dieser Debatte auf gar keinen Fall vergessen werden.

Aber, es gibt eben auch die anderen. Und die sind leider (noch) in der Überzahl.

Zum Beispiel die (wirklich große) nachhaltige Modebrand, die mich neulich für eine Kooperation anfragte, mir dann aber nur ein Viertel meines vorgebrachten Preises für meine Leistung zahlen wollte (wo dann abzüglich aller Steuern ein zweistelliger Betrag übrig geblieben wäre). Auf den ersten Blick erstmal gar nicht so schlimm. Es gehört absolut dazu, dass man sich bei Budgetvorstellungen mal uneins ist und eine Kooperation dann halt einfach nicht zustande kommt. Was mich aber an genau dieser Anfrage so geärgert hat, ist der Fakt, dass Nachhaltigkeit hier Markenkern ist und sich mit fairer Bezahlung etc. gebrüstet wird, während der Aspekt eines nachhaltigen Influencer-Marketings leider vollkommen vergessen wurde. Es ist doch so: Ihr wollt nicht tagtäglich mehrfach Werbung vor die Nase gesetzt bekommen, sondern toleriert werbliche Posts dann, wenn sie gut umgesetzt werden und vor allem eingebettet sind, in Content, der eben authentisch und nicht ausschließlich werblich ist.

Nun, wenn man das mal so betrachtet, ist es doch nur dann nachhaltig, wenn man nicht zu viel Werbung macht. Logisch, oder?

Dann aber ist es eine Grundvorraussetzung, dass die Kooperationen, die man eingeht, auch so bezahlt sind, dass man am Ende des Monats davon leben kann. Denn wenn sie das nicht sind, habe ich entweder die Wahl zwischen 30 Koops im Monat, um davon leben zu können, gehe aber euch damit gehörig auf den Keks und bin recht schnell wieder weg vom Fenster, oder ich brauche eine Festanstellung, die meinen Lebensunterhalt zahlt und kann dann hier und da in meiner Freizeit on top ein bisschen InfluencerIn spielen.

Und genau hier liegt der springende Punkt: Alle wollen möglichst viel Content umsonst konsumieren. Wollen, dass Nachrichten beantwortet und Links rausgesucht werden und dabei noch möglichst viel „Personality“ erkennbar bleibt und bloß nicht zu viel Werbung gemacht wird. Das in einer gewissen Qualität neben einem festen Job zu machen, ist doch relativ viel verlangt, oder? Und wenn man das Insta-Game dann hauptberuflich spielt und Bezahlung durch Kooperationen eine Notwendigkeit ist, hat man entweder die Wahl zwischen möglichst vielen Koops, Rabattcodes etc., die Geld aufs Konto spülen, oder einer eher selektiven Herangehensweise, mit weniger Kooperationen, die dann wiederum gut bezahlt werden müssen. Ihr seht worauf ich hinaus will oder?

Und wenn ich diese Kritik äußere, spreche ich nicht ausschließlich von Geld. Ich nage nicht am Hungertuch und bin in einer sehr privilegierten Situation – dessen bin ich mir bewusst. Dennoch geht es hier auch um den eigenen Wert, um Wertschätzung, um das Anerkennen der Leistung eines anderen. Schließlich kommen diese Marken ja auf mich zu und nicht umgekehrt. Ergo: Ich mache irgendetwas, dass sie als vorteilhaft für ihre Marke erachten. Wieso also sollte ich das dann umsonst tun?

Ganz ehrlich: Jedes Mal wenn ich über dieses Thema spreche, freche Anfragen mit euch teile der laut ausspreche, dass ich finde, dass meine Arbeit angemessen bezahlt werden sollte, begleitet mich eine diffuse Angst, dass ihr mich für größenwahnsinnig oder geldgeil haltet. Schließlich liebe ich ja was ich tue. Aber woher genau kommt diese Verunsicherung eigentlich? Dazu hat Ida Marie von @wellshesassy ein ziemlich amüsantes und gleichzeitig informatives Video veröffentlicht. Darin zeigt sie verschiedenste Aspekte auf, wieso es problematisch ist, einer gesamte Branche, die zudem hauptsächlich aus Frauen besteht, ihre Professionalität und ihr Streben nach Erfolg abzusprechen. Eines ihrer Beispiele: Wie sieht es denn beim Profi-Fußball aus? Beschweren sich da alle auch den ganzen Tag, dass die ja komplett überbezahlt sind, dafür dass sie tagtäglich gegen einen Ball treten?

Hey, echt nix gegen Fußball! Aber der springende Punkt ist hier doch, wieso der allgemeinen Auffassung nach, InfluencerInnen eben keine allgemein akzeptierte Berechtigung dazu haben, aus ihren Fähigkeiten Profit zu schlagen, während das in anderen (sehr männlichen) Bereichen, ohne großen Widerstand akzeptiert wird. Wieso ist es in Ordnung andere Hobbies zum Beruf zu machen und damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, beim Thema Influencer allerdings holen alle die Moralkeule raus?

Der feministische Aspekt dieser Debatte, wird mir persönlich besonders dann bewusst, wenn ich Anfragen von kleineren female-founded Businesses bekomme. Die kommen dann nämlich oft nicht mit eben jenem Bewusstsein um die Ecke, dass sie aus eigener Erfahrung wissen, dass man als selbstständige Frau sehr wohl auch Geld verdienen muss, sondern berufen sich auf den Zusammenhalt unter Frauen, der die unbezahlte Arbeit doch irgendwie rechtfertigt. Von wegen women supporting women. Bullshit! Ich bin absolut dafür, dass Frauen sich untereinander unterstützen, aber wie zur Hölle sollen wir das tun, wenn wir dafür kein Geld bekommen, ergo diesen Beruf nicht weiter ausüben können und schlussendlich wieder in einer Festanstellung landen und die kreative Arbeit, bei der man sich ja eigentlich unterstützen wollte, wieder zum Hobby wird?

Nichts ist in meinen Augen feministisch daran, Frauen nicht für ihre Arbeit zu bezahlen.

Und was mich persönlich daran oft am meisten ärgert, ist der Fakt, dass so wenig darüber geredet wird. Mache ich dann nämlich mal den Mund auf, bekomme ich von allen Seiten bestätigende Nachrichten und Zuspruch, besonders von KollegInnen, die mir dann sagen, dass es toll ist, dass ich das so ehrlich ausspreche. Meine Frage ist dann aber: Wieso sprecht ihr denn nicht darüber? Wieso ärgern wir uns alle über die gleichen Missstände in dieser Branche, aber schweigen lieber, statt uns aktiv daran zu beteiligen diese Branche zu formen.

Ganz ehrlich: Influencer-Marketing ist so jung und verändert sich gefühlt täglich. Gerade hier und jetzt haben wir doch die Chance bestehende Strukturen mit zu gestalten, für uns selbst einzustehen und Marken dahingehend zu erziehen, indem wir unsere eigenen Grenzen aufzeigen. Indem wir zeigen und erklären, dass das was wir tun, Arbeit ist. Arbeit, in die Zeit, Kreativität und jede Menge Herzblut fließt. Bei der wir uns jeden Tag versuchen müssen von der großen „Konkurrenz“ abzugrenzen. Aber solange so viele sich weiter unter Wert verkaufen, dieses und jenes umsonst in die Kamera halten, weil man gemocht werden will oder es in einer Budgetverhandlung einfach nicht schafft, seinen eigenen Wert zu benennen, wird es auch immer Marken geben, die genau das ausnutzen. Und so sabotiert sich diese Branche selbst. Solange unprofessionell gearbeitet wird, werden wir auch als unprofessionell wahrgenommen. Und mit unprofessionell meine ich jetzt nicht nur unbezahlt. Damit meine ich ein oft fehlendes Hinterfragen bei der Auswahl von Kooperationspartnern, die viel zu oft viel zu gleiche Umsetzung und die Akzeptanz, dass man als InfluencerIn halt einfach nicht ernst genommen wird. Das müssen wir doch ändern!

Man mag mich idealistisch ode naiv nennen und vielleicht sitze ich in ein paar Jahren auch wieder in einer Festanstellung (entweder weil das Geld nicht reicht oder weil ich zu frustriert bin) und muss feststellen, dass ich eben doch nichts ändern konnte. Das mag alles sein, aber trotzdem werde ich bis dahin nicht müde darüber zu reden. Schlichtweg weil ich persönlich finde, dass es nicht verwerflich ist Geld zu verdienen. Es ist nicht verwerflich aufzuzeigen, wieviele Arbeitsstunden in einen Post oder ein Video fließen. Es ist nicht verwerflich laut zu sagen, dass man das, was man da macht, zwar von ganzem Herzen liebt und gleichzeitig aber dafür entlohnt werden möchte.

Das ist nicht verwerflich, vermessen oder geldgeil – das ist verdammt nochmal die Realität!

Lasst uns doch aufhören InfluencerInnen auf irgendwelche Sockel zu stellen, auf denen sie auf viele Weisen entmenschlicht werden – sie müssen konstant unfehlbar sein, von Luft und Liebe leben, nie einen schlechten Tag haben und ihren Job nur deshalb tun, weil sie Leute damit glücklich machen wollen. Excuse my language, aber: What the fuck? Sowohl als Selbstständige, als auch als Frau muss ich an dieser Stelle doch einfach den Kopf schütteln und mich fragen wie es diese Branche schafft, dieses Bild weiter aufrecht zu erhalten?

Und ja, da gilt die Kritik definitiv nicht nur all den Marken, sondern auch den vielen InfluencerInnen, die bezahlte Werbung als „authentische Empfehlung“ tarnen, niemals über die Arbeit hinter den tollen Bildern sprechen oder mit Rabattcodes um sich werfen. Das System funktioniert definitiv in beide Richtungen. Und ja, ich komme aus der Mode-Printwelt. Ich weiß, dass die davon lebt, einen Traum zu verkaufen und da kaum jemand mit der Realität gegen ankommt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass hinter diesen Träumen in den kleinen Quadraten auf unseren Screens echte Menschen stecken. Ich zumindest möchte genau das für euch sein und auch bleiben. Und diesen Platz werde ich mir so gut ich kann bewahren.

Auch wenn das bedeutet, dass ich mich hier und da bei Brands unbeliebt mache. Auch wenn das bedeutet, dass ich Tag ein Tag aus erklären muss, dass ich leider nicht umsonst arbeiten kann. Auch wenn das bedeutet, dass es immer bestimmte Brands geben wird, die ohne Rabattcode leider (!) nicht mit mir arbeiten können. Das ist okay für mich. Aber bei einem von zehn Malen platzt es dann halt auch mal aus mir raus. Und ja, heute ist einer dieser Tage.

5 Antworten zu “Sunday Thoughts: Von wenig nachhaltigem Influencer-Marketing und dem eigenen Wert…”

    • Oh Danke dir! Ich bin ja immer ein wenig zögerlich bei diesem Thema, weil ich mir nicht sicher bin, wie relevant das für „normale“ KonsumentInnen ist, aber irgendwie liegt mir was daran, das alles etwas transparenter zu machen 🙂
      Happy Sunday, Karo

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