2020: Wofür ich diesem Scheißjahr dankbar bin

2020. Was ein Jahr.

Was als neue, spannende und hoffnungsvolle Dekade begann, verwandelte sich binnen weniger Wochen zum Katastrophenjahr sondergleichen. Die Jahreszahl mit den zwei 2en und zwei 0en ist inzwischen Synonym für Murphy’s Law: Alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen. Ausnahmezustand, Krise, Unglück, Fassungslosigkeit. Und obwohl ich von meiner Persönlichkeit her so gar kein Look-on-the-bright-side-, Dankbarkeits- oder Positivitäts-Typ bin, muss ich am Ende dieses mehr als ereignisreichen Jahres sagen: Es war nicht alles schlecht. Beziehungsweise hat all das Schlechte auch Dinge und Prozesse ins Rollen gebracht, die ich wiederum als gut verbuche. Als lehrreich. Als prägend. Und deshalb möchte ich diesem Scheißjahr hier und heute ganz offiziell Danke sagen.

Danke für mein neues politisches und gesellschaftliches Bewusstsein!

2020 hat mich politischer gemacht – und dafür bin ich dankbar. Sei es nun Corona und der gesellschaftliche Umgang damit, die US-Wahlen, Rassismus oder die allgemeine gesellschaftliche Spaltung: War ich vor 2020 zwar ganz sicher nicht unpolitisch, habe ich mich dieses Jahr weitaus intensiver informiert, mich positioniert, mich ganz gezielt mit anderen ausgetauscht und meinen Mund aufgemacht. Niemals habe ich Politik als so elementaren Bestandteil meines eigenen Lebens begriffen, wie in diesem Jahr. Coronabeschlüsse, die Wirtschaftskrise, Freunde, die ihre Geschäfte schließen mussten, das Bewusstsein für strukturellen Rassismus – alles ging mich plötzlich an. Zumindest begriff ich erst in den vergangenen Monaten so richtig, dass Politik kein abstraktes Gebilde für Juristen und BWLer ist, sondern mein ganz persönliches Leben unmittelbar beeinflusst.

Aber nicht nur das, auch für unsere Gesellschaft an sich habe ich ein ganz neues Bewusstsein bekommen. War ich bisher eigentlich immer fine mit einem Selbstverständnis der Individualität und Selbstverantwortung, habe ich mich, besonders im März und April, als Teil dieser Gesellschaft verstanden, der nicht nur nehmen und erwarten kann, sondern auch seinen Teil beitragen muss. Das Zuhausebleiben, das Masketragen, das Rücksichtnehmen – mein ganz persönliches Verhalten war plötzlich von gesellschaftlicher Bedeutung. Wenn Geschäfte und Businnesses den Bach runter gehen, hat das eine direkte Auswirkung auf mich. Wie sieht das Leben nach der Pandemie aus? Was wollen wir ändern? Was können wir ändern? Und woran müssen wir jetzt arbeiten, damit wir hinterher nicht in Chaos versinken?

Für dieses neue Bewusstsein, meine ganz persönliche Politisierung, für das umfassende Verständnis, dass ich Teil einer Gesellschaft bin und damit auch Verantwortung einhergeht, bin ich sehr dankbar!

Liebe in Zeiten von Corona

Ja, auch in Sachen Beziehung ist dieses Ausnahmejahr nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Lockdown, Home-Office, 24/7 mit niemandem als seinem Partner in der Bude zu hocken, das hat Veränderung gebracht. Während auf Instagram gefühlt jeder gerade schwanger ist, ein Baby bekommt oder sich verlobt, haben mein Freund und ich uns mehrmals täglich die Köpfe eingeschlagen. Aber wen wundert das? Corona ist ein Brennglas und unter dem treten plötzlich (auch nach 5 Jahren Beziehung) alle Verschiedenheiten, Emotionen, nervigen Macken oder unerfüllten Bedürfnisse besonders stark zu Tage. Es fehlt der Austausch mit anderen, der Input von außen, Ablenkung, Hobbies, der mentale Ausgleich.

Und dennoch bin ich auch für die ein oder andere Beziehungskrise dankbar. Ich möchte an dieser Stelle jetzt nicht schnulzig werden und behaupten, dass uns diese Krisen einander näher gebracht haben. Aber sie haben uns getestet, uns die Aspekte unserer Beziehung aufgezeigt, an denen wir arbeiten müssen und wieder einmal bewiesen, dass man in einer Beziehung nur dann glücklich und erfüllt sein kann, wenn man selbst glücklich und erfüllt ist. Und genau das war ich dieses Jahr sicherlich nicht. Und genau deshalb hat es hier und da auch mal geknallt. Wir als Paar brauchen auch noch andere Dinge, als nur uns. Das ist nicht traurig, schlecht oder verwerflich, sondern realistisch und ein wichtiges Learning für unsere Beziehung.

Familie, mein Baby Neffe und das Zusammenrücken aus der Ferne

Mein Vater, meine Schwester und mein Neffe leben in Berlin. Ich habe sie dieses Jahr zwar mehrfach sehen können, aber bei weitem nicht so häufig, wie ich mir das gewünscht hätte. Gerade mein kleiner Neffe wird so schnell groß und verändert sich so sagenhaft schnell, dass ich am liebsten einmal pro Monat nach Berlin fahren würde, um in seinem Leben präsent zu sein. Und trotzdem sind wir als Familie ganz wunderbar zusammengerückt. Face-Time, Videos, Telefonate – ich nehme auch über die Entfernung an all den vielen Schritten im Leben meiner Familie und meines Neffen teil. Das erste mal Brei essen, die ersten Krabbelversuche, der erste Tag in der Kita – Tante Karo ist dabei.

Egal ob irgendeiner in meiner Familie mal nen Husten hat, mit irgendetwas hadert oder sich freut – wir informieren uns darüber und so sind wir gefühlt sehr nah bei einander. Dafür bin ich dankbar.

Alle Freunde noch da!

Auch hierfür bin ich sehr dankbar! Ich habe trotz weniger Treffen und ganz persönlicher Schicksale keinen meiner engen Freunde aus den Augen verloren. Stattdessen wird telefoniert, informiert und sich ausgetauscht. Dazu muss ich allerdings auch sagen, dass ich eh jemand bin, der kaum persönlichen Kontakt braucht, um Nähe zu empfinden. Wenn ich zwei Stunden mit meiner Freundin telefoniere, fühle ich mich ihr genauso nah, wie als würde sie mir gegenüber am Küchentisch sitzen. Auch bin ich froh, dass unter meinen engen Freunden niemand dabei ist, der sich aufgrund von Corona plötzlich zum Schwurbler entwickelt hat, von Impfpflicht schwafelt oder ohne Maske auf die Straße geht. Denn genau das habe ich von einigen gehört. Freundschaften, die aufgrund von gegensätzlichen Einstellung zur Pandemie in die Brüche gehen. Sagenhaft traurig und sicherlich nicht selten, aber davon bin ich um Glück verschont geblieben. Und dafür bin ich dankbar.

Ich find mich selbst dann doch ziemlich gut!

Zu guter Letzt möchte ich mich auch noch bei mir selbst bedanken. Denn obwohl mich dieses Jahr psychisch wirklich sehr gefordert hat, ich in so manchen Situationen an meine Grenzen kam und Ängste und Panik im Zaum halten musste, finde ich, dass ich das soweit eigentlich ganz gut gemanaged habe. Klar, hier und da hätte ich etwas besser machen können, aber alles in allem habe ich in vielen Zwiegesprächen mit mir selbst immer wieder gewusst, in welche Richtung es jetzt gehen soll. Brauchte ich Ruhe? Dann habe ich versucht sie mir zu geben. Musste ich mir selbst mal ein wenig in den Hintern treten? Auch das hab ich gemacht. Wie ich schon in diesem Artikel betont habe, waren all die Belastungen dieses Jahres eine echte Herausforderung für meine psychische Gesundheit und dafür, dass ich das erkannt und verinnerlicht habe, bin ich sehr dankbar.

And the Dankbarkeit-Oscar goes to…

You, natürlich. Und damit meine ich euch Leser, aber auch meine vielen tollen Partner auf Markenseite. Denn trotz oder gerade wegen all der Unsicherheiten habe ich das Gefühl, dass wir alle digital etwas näher gerückt sind. Da seid ihr mit ganz viel Verständnis für die Tage, an denen ich mal unkreativ auf der Couch liege, die ihr eure persönlichen Geschichten und Gefühle mit mir teilt und wir so ab und an eine kleine Selbsthilfegruppe bilden, aber auch die vielen Marken und Menschen dahinter, die mir größtmögliche Flexibilität eingeräumt haben, in Kontakt geblieben sind und auch mal aus menschlichen Gründen von vertraglichen Details abgewichen sind.

Ich bin sehr dankbar, dass mein Job (bisher) recht unbeschadet von allem geblieben ist und dass sowohl meine Kunden, aber in aller erster Linie auch ihr, mir und meinem at-home-content die Treue gehalten habt. Keine fancy Reisen, wenig Streetstyles oder Outdoor-Shoots. Alles etwas anders in diesem Jahr, aber irgendwie auch ehrlicher.

Fazit: Danke 2020, aber jetzt darfst du gehen!

Nachdem ich nun in aller Ausführlichkeit Danke gesagt habe, möchte ich zum Schluss aber auch noch Auf nimmer Wiedersehen sagen. Denn so langsam ist es halt auch gut. Nicht, dass ich tatsächlich glaube, dass irgendwas am 1.1.2021 anders sein wird, aber so ein neues Jahr ist zwangsläufig auch ein Neuanfang und ein Fortschritt. Sicher wird auch 2021 von Krisen, Ängsten und Zweifel erfüllt sein, aber indem wir 2020 hinter uns gebracht haben, ist doch schon ein ganzes Stück des Weges gegangen.

In diesem Sinne: Danke 2020 für all die Learnings, aber jetzt verpiss dich bitte!

4 Antworten zu “2020: Wofür ich diesem Scheißjahr dankbar bin”

  1. Liebe Karo,

    vielen Dank für diesen reflektierten, klugen Beitrag, der alles wunderbar zusammenfasst und mir aus der Seele spricht.

    Hab‘ einen wunderbaren 2. Advent,

    liebe Grüße, Cathleen

    • Liebe Cathleen, vielen Dank für dein liebes Feedback! Ich dachte mir, dass ein wenig Positivität auch mal nicht schaden kann 😉
      Happy Sunday & ganz liebe Grüße, Karo

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