Generation Selbstständig: Wieso wir heute mehr von unserem Job erwarten!
Unflexible Arbeitszeiten, keine Möglichkeit vom Home-Office aus zu arbeiten und eine Mentalität à la „Sei froh, dass du einen Job hast“ haben ausgedient.
Die sogenannte Generation Y, zu der auch ich gehöre, scheint die Schnauze ziemlich voll zu haben von überholten Arbeitsmodellen, Inflexibilität der Arbeitgeber und einer Vorstellung von Work-Life-Balance, die den Namen eigentlich gar nicht verdient hat. Immer mehr Leute in meinem Bekanntenkreis zieht es in die Selbstständigkeit. Trotz des finanziellen Risikos, der konstanten Ungewissheit und der großen Konkurrenz.
Woran liegt das?
Als ich Ende 2017 meine Festanstellung kündigte und mich in die Selbstständigkeit wagte, gab es genau zwei Reaktionen: 1. „Bist du verrückt?“ oder 2. „Mega, ist ja auch das einzig Vernünftige“ Und soll ich Euch was sagen? Variante 1 kam ausschließlich von älteren Kolleginnen und Variante 2 von Gleichaltrigen. Schon ein paar Jahre vor meiner Kündigung habe ich gemerkt, dass es einen Generationskonflikt in meiner Branche gibt, der mit der Zeit nur noch deutlicher wurde. Die Kolleginnen, die bereits seit mehr als einem Jahrzehnt im Betrieb waren, hatten wenig Motivation diesen zu verlassen und haben sich selbst bei Krisen (und die gab es in der Printbranche ja zur Genüge) an das Prinzip „Augen zu und durch“ gehalten.
Meine gleichaltrigen Kollegen und ich hingegen, haben Entlassungen, Heftzusammenlegungen & Co. nicht kalt gelassen und irgendwann haben wir angefangen uns zu fragen, ob unser Job eigentlich noch mit unserer Vorstellung einer erfüllenden Tätigkeit mithalten kann. Wollen wir das wirklich bis an unser Lebensende tun? Zu oft lautete die Antwort darauf „Nein“ und so haben in den vergangenen Jahren viele meiner Kollegen den Job oder gleich die Branche gewechselt oder sich eben in die Selbstständigkeit gewagt. So wie auch ich.
Als ich meine ersten Schritte im Berufsleben machte, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, mal mein eigener Chef sein zu wollen.
Ich fand es toll im Team zu arbeiten und hätte meine rechte Hand dafür gegeben, bei einem Titel wie der ELLE arbeiten zu dürfen. Überstunden, jeden Tag bis Punkt 7 am Schreibtisch sitzen (ob es was zu tun gab oder nicht) und kaum finanzielle Aufstiegschancen, haben mich da anfangs nicht abgeschreckt. Es war schlicht und einfach so. Eine Alternative? Gab es damals nicht wirklich.
Aber, es hat sich etwas verändert.
Um mich herum und in mir drin. Denn: Der Thron der Printmedien fing nach und nach an zu wackeln und das Heiligenbild meines Traumjobs bekam Risse. Immer öfter hieß es Kompromisse eingehen, wieder mal auf mehr Gehalt warten und noch eine zusätzliche Aufgabe bzw. Themengebiet aufgehalst bekommen (natürlich ohne mehr Gehalt dafür zu bekommen), weil mal wieder eine Kollegin entlassen wurde. Das hat eine Weile auch noch funktioniert, obwohl der Arbeitsrhythmus kontinuierlich schneller und schneller wurde und für Kreativität oder eine persönliche Weiterentwicklung keine Zeit blieb. Doch irgendwann kam diese Abwärtsspirale für mich persönlich zum Stehen und ich kündigte.
Nicht, weil mein Job mir keinen Spaß mehr gemacht hatte, sondern weil mir die Art des Arbeitens einfach nicht mehr gefallen hat.
Versteht mich nicht falsch: Ich habe meinen Job geliebt und war nicht umsonst 5 Jahre dabei, aber irgendwann wollte ich mehr. Und damit meine ich jetzt nicht die Weltherrschaft in Sachen Bloggen – sondern mehr Freiheit, mehr Flexibilität und das Gefühl, dass ich nicht nur ein kleines Rädchen im Getriebe bin, das man ebenso gut gegen irgendwen anderes hätte austauschen können. Ich wollte, dass meine eigene Arbeit etwas wert ist und dass ich die Früchte dessen sehen und spüren kann. Und wo ist das nun mal am besten möglich?
Genau, in der Selbstständigkeit.
Natürlich, nicht in jeder Branche liegt eine Selbstständigkeit so nah, wie als Redakteur, Stylist oder Fotograf. Aber noch nie war es so einfach, mit einem Laptop und einer Idee ein Business zu gründen (man beachte nur den Erfolg von Start-Up-Shows wie Die Höhle der Löwen). Das Internet macht so vieles möglich. Gepaart mit den Ansprüchen an Selbstverwirklichung und Glück, die unsere Generation prägen, haben sich so für viele von uns ganz neue Optionen eröffnet. Unsere Generation sehnt sich nach Freiheit, Individualität und einer ausgewogenen Work-Life-Balance und unterscheidet sich damit grundlegend von der vorangegangenen Generation X. Da galt das Motto „Arbeiten, um zu leben“ und die große Karriere galt gemeinhin als erstrebenswert.
Das Privatleben musste sich da eben einfach anpassen.
Wir aber leben in einer Zeit, in der alles möglich zu sein scheint – und genau deshalb sind wir auch oft so zerrissen, unentschlossen oder wechseln Job und Partner häufiger. All diese Optionen haben uns neben dem Namen Generation Y auch den Namen Generation Maybe eingebracht. Denn: Alle Optionen zu haben macht das Entscheiden nicht gerade leichter. Viele fühlen sich überfordert von den tausenden Lebensentwürfen, die uns heute zur Verfügung stehen. Vor allem uns Frauen stehen so viele Türen offen. Auch wenn es bei Gott nicht leicht ist, lassen sich Kind und Karriere inzwischen viel besser vereinbaren, als noch vor ein paar Jahrzehnten und die finanzelle Abhängigkeit von einem Mann ist definitiv kein erstrebenswertes Ideal mehr.
Wir sind mutiger geworden und ziehen so viel Motivation aus dem, was wir machen.
Und genau deshalb denke ich, dass wir heute viel stärker abwägen, ob unser Job uns wirklich erfüllt. Es geht nicht mehr ausschließlich ums Brötchen verdienen – es geht um das, womit wir den Großteil unseres Tages verbringen, die Möglichkeit zur Entwicklung. Und genau hier hinken viele große Unternehmen noch hinterher. Sie werden nämlich von einer anderen Generation geführt, die ganz andere Ziele hat, als wir und deshalb nur wenig Verständnis für Ihre jungen Angestellten aufbringen können. Die nach dem Credo vorgeht „Das haben wir immer schon so gemacht, deshalb ist das richtig.“ Aber genau da liegt der Hund begraben. Alles verändert sich und egal wie sehr man sich dagegen stellt, das Rad lässt sich nicht wieder zurückdrehen. Es muss ja nicht gleich ein Unternehmen wie Google oder Facebook sein, die den Arbeitsplatz so angenehm für Ihre Mitarbeiter gestalten, dass diese eigentlich gar nicht mehr nach Hause gehen wollen. Aber nicht umsonst gelten die großen Digital-Unternehmen als Vorzeigearbeitgeber.
Wir Digital Natives sind wahnsinnig anpassungsfähig, da sich seit unserer Kindheit bereits gefühlt alles verändert hat.
Eben haben wir Benjamin Blümchen noch auf Kassette im Walkman mit uns herum getragen und plötzlich passt das ganze Leben in ein iPhone. Ein Fernsehprogramm? Dank Netflix & Co. können wir bestimmen, was wir wann sehen wollen. Wir wissen, was es heißt, umzudenken und genau das wünsche ich mir auch von so manchem Arbeitgeber. Denn das Resultat der Starrköpfigkeit wird sein, dass man immer mehr gute Leute an andere Unternehmen verliert, die vielleicht besser zum eigenen Lebensmodell passen.
Oder sie machen sich gleich selbstständig und sind so nicht nur Herr über ihr Privatleben, sondern auch über Ihren Job.
Aber: Auch wenn ich happy mit meiner derzeitigen Situation bin, halte ich es nicht für erstrebenswert, dass wir irgendwann alle selbstständig sind. Bei all dem Wunsch nach Individualität und Selbstverwirklichung sind wir Menschen immer noch Herdentiere und im Team arbeitet es sich oft einfach besser.
Keiner von uns ist eine Insel – und das gilt nicht nur privat, sondern auch beruflich.
Total spannender Artikel! Ich stecke grade mitten in der Ausbildung zur Grafikdesignerin, aber philosophiere schon jetzt fast täglich mit meiner Schwester darüber, dass wir uns keine Festanstellung vorstellen können. Den Aspekt, dass man heutzutage nahezu alles möglich werden lassen kann, ist dabei Rollespielend, aber auch der Wunsch, der eigene Chef zu sein.
Ganz liebe Grüße, Salome
Liebe Salome, du bist ja nochmal um einiges jener als ich und damit noch mehr ein digital native, als ich es bin! Ich kenne viele freie Grafiker und ich glaube genau wie als Redakteur ist das ein super Feld um selbstständig zu sein. Egal was du machst, ich drücke dir fest die Daumen <3
[…] habe ich meine persönlichen Erfahrungen lieber häppchenweise mitgeteilt (z.B. hier) und mir ansonsten lieber auf die Zunge gebissen. Aus Angst? Vielleicht. Ich bekomme aber nach wie […]