„Und was machst du so?“ – im Job-Talk mit Redakteurin Valerie Präkelt

JournalistIn sein. Bei einer prestigeträchtigen Publikation arbeiten. Tagtäglich von Design und Kunst umgeben sein. Das klingt viel zu oft zu gut, um wahr zu sein – und ihr wisst ja aus meiner Erfahrung, dass in Sachen Printjournalismus nicht alles immer Gold ist, was glänzt (mehr dazu hier). Aber: Dieser Traumjob existiert – zumindest wenn man ihn ehrlich, realistisch und voller Leidenschaft betrachtet – so wie Valerie Präkelt. Die kennt ihr vielleicht schon aus meinen Routine Questions (hier), heute aber soll es nicht um Mode- oder Beautyvorlieben gehen, sondern um Valeries Job. Und um den Weg, der sie dorthin gebracht hat.

Valerie ist Redakteurin bei AD Architectural Digest, der Publikation schlechthin, wenn es um Architektur, Design und Interior geht. Abgesehen von Messen und fancy Shop-Openings (die derzeit sowieso nicht stattfinden können), steckt hinter Valeries Arbeitsalltag echtes Handwerk – und ganz ganz viel Liebe. Das kann ich persönlich bezeugen und ich oute mich heute gerne einmal mehr als riesiger Valerie-Fan. Weil sie unfassbar sympathisch, offen und bodenständig ist, aber auch weil ich fachlich sehr großen Respekt vor ihr habe. Und mein heutiges Interview mit ihr bekräftigt diesen Respekt vor ihr noch einmal mehr. Denn: Ehrlicher, hilfreicher oder echter wird’s nicht – für alle von euch, die im Journalismus tätig sind oder es sein wollen: Hier kommt ein Einblick in Valeries Arbeitsalltag, ihren Weg in den Journalismus und ihren Mindset, der sie dorthin gebracht hat!

Wie genau lautet deine Jobbezeichnung bzw. dein Titel?

Ich bin Redakteurin bei AD Architectural Digest. AD gehört zu Condé Nast Germany. Als Lead Concept & Features kümmere ich mich um Feature-Geschichten wie etwa Homestories oder Video-Formate, außerdem verantworte ich fachlich den Digital Hub von AD und unsere Social Media Kanäle. Und ich arbeite an inhaltlichen Konzepten zur Weiterentwicklung der Marke AD. Als Teil einer Redaktion ist es aber gar nicht so einfach einzugrenzen, was genau wer macht, da wir alle grenzübergreifend an der Marke arbeiten und die Bereiche und Verantwortungen sehr fließend sind. Fernab von AD moderiere ich gelegentlich Events und Panel-Talks.

Und wie bist du geworden was du jetzt bist?

Ich habe zwei Semester Kommunikation und Psychologie an der LMU in München studiert, dann zu Literatur und Kunstgeschichte gewechselt. Neben dem Studium habe ich eine Art Ausbildung bei M94.5 gemacht, einem Radiosender für Studenten und Studentinnen. Das ist waschechter Lokaljournalismus – die beste Schule. In München gibt es gute Weiterbildungsmöglichkeiten für angehende Journalisten und Journalistinnen, auch die Süddeutsche Zeitung hat eine Entwicklungsredaktion (Junge Leute), für die ich eine Zeit lang geschrieben habe.

Studienbegleitend habe ich als Werkstudentin beim Kunstmagazin Artcollector gearbeitet. Das war die schönste Ausbildung überhaupt – dort habe ich die Textarbeit gelernt. Meine damalige Chefredakteurin ist jede geschrieben Zeile mit mir durchgegangen, nie mahnend, sondern immer mit einer Anregung, die meinen Text besser gemacht hat. Als das Printheft eingestellt wurde, wollte ich eigentlich an die Deutsche Journalisten Schule und habe vorher noch ein Praktikum bei AD begonnen. Am Tag des Einstellungstests habe ich dann meine Vertrag bei AD unterschrieben, damals als Juniorredakteurin in der Digitalredaktion. Das war 2016 und ziemlich aufregend, weil mein Chef und ich die Website und die Social Media Kanäle neu gedacht haben. Heute verstehen wir AD als eine Marke und trennen nicht mehr zwischen Digital und Print. 

Wusstest du immer schon, dass du das beruflich machen möchtest?

Ja, allerdings dachte ich, dass es eine andere Fachrichtung wird. Ich wollte lange über Politik schreiben. Erst als ich mein erstes Studium aufgegeben habe und mich für ein reines Interessenstudium ohne jegliche akademische Ambitionen entschied, habe ich gemerkt, dass mich Stil, Kunst, Gestaltung, Design und Mode so sehr faszinieren, dass ich darüber schreiben möchte.

Und wie können wir uns deinen Arbeitstag vorstellen?

Der ist, abgesehen von wiederkehrenden Meetings, wirklich jeden Tag anders. Er besteht in großen Teilen aus Organisation und Absprachen, außerdem natürlich aus Konferenzen, dann aber auch aus ruhigeren Schreibstunden und Interviews. Wenn wir eine Geschichte produzieren, etwa für die Serie #thirtysomething, in der wir zeigen, wie junge Kreative in Deutschland leben, sieht es anders aus. Dann starten wir mit dem Licht, führen Interviews, fotografieren die Wohnung, denken uns begleitende Social-Media-Konzepte aus. Wenn wir nicht gerade in einer weltweiten Pandemie feststecken, gehört auch das Reisen dazu, etwa zum Salone del Mobile, der üblicherweise im April stattfindet. Das ist für mich die schönste Arbeitswoche im ganzen Jahr. Tagsüber besuchen wir die Messe, hangeln uns von Ausstellung zu Ausstellung und stolpern an jeder Ecke in alte und neue Bekannte aus der ganzen Welt hinein. 

Was sind die größten Herausforderungen in deinem Job?

Ich glaube, die kennen die meisten von uns: Ich habe oft meine eigenen Grenzen ausgetestet und lange deutlich mehr gearbeitet, als von mir verlangt wurde. Heute bin ich sehr viel entspannter geworden und kann um 18 Uhr den Laptop zuklappen.

Wie hältst du es mit Performancedruck oder Selbstzweifeln?

Manchmal glaube ich, dass ich zu gleichen Teilen aus Selbstüberschätzung und Selbstzweifeln bestehe.

Beruflich sage ich bei neuen Aufgaben meistens ja – das geht (fast) immer gut aus. Das heißt übrigens nicht, dass ich kein ängstlicher Mensch bin. Als ich unseren AD Design Summit moderiert habe, war ich so nervös, dass ich die Woche vorher jeden Tag verschlafen habe – während andere von schlaflosen Nächten geplagt werden, komme ich bei Panik nicht aus dem Bett. Condé Nast hat mir damals ein Moderationstraining ermöglicht, dass mich auf den AD Design Summit vorbereitet hat. Dort hat meine Coach (die ganz großartige Dr. Stefanie Rödel) eine Bewegung mit mir erarbeitet, die ich aufrufe, wenn ich ängstlich bin oder mir etwas unangenehm ist.   

Was würdest du jungen Mädchen raten, die diesen beruflichen Weg einschlagen möchten?

Journalismus ist immer noch eine sehr privilegierte Bubble.

Ich kann mich da gar nicht ausnehmen: Meine Eltern sind Journalisten, die ersten Praktika vermittelten sie. Praktika muss man sich außerdem leisten können – sie sind schlecht oder gar nicht bezahlt und dann meist in teuren Städten wie München, Köln oder Hamburg. Hier sehe ich die Medienhäuser und Verlage in der Pflicht, den Nachwuchs fair zu bezahlen. Wenn ein Praktikum finanziell gerade nicht möglich ist, sucht nach Alternativen. Viele Tageszeitungen, wie zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung, haben lokale Entwicklungsredaktionen, die für jede Veröffentlichung ein Honorar zahlen; Programme wie M94.5 decken zwar nicht die Miete, haben mir aber Seminare ermöglicht, die ich mir damals nicht hätte leisten können, wie etwa Sprech-, Moderations- oder Schreibtraining.

Ich hatte das große Glück, mit Anfang zwanzig in eine Redaktion gespült zu werden, in der ich auf lauter Mentorinnen traf und wurde auch bei AD von Anfang an gefördert. Wer das nicht hat, kann sich bei Plattformen wie Journalistinnen.de umschauen. Und zuletzt: Be a patient pain. Gerade ist keine Stelle frei? Frag im nächsten Monat nach. Das Thema, das du angeboten hast, war nichts? Schlag ein neues vor – aber nicht auf gut Glück, sondern setze dich wirklich mit der Publikation auseinander. Wer kommt dort vor, welche Themen fehlen, welchen Schreibstil fährt die Redaktion? Und vernetze dich, im echten Leben und auf Social Media.

Welche 3 Eigenschaften sind deiner Meinung nach unerlässlich für deinen Job?

Neugierde, Textverständnis, Passion. Und Geduld. In letzterem muss ich mich noch üben. Humor ist auch nie verkehrt.

Der beste Karrieretipp, den du je erhalten hast?

„Streiche immer den ersten Satz.“

Habe ich eine Zeit lang wirklich gemacht, dann aber gelassen, weil ich ohne den ersten Satz nicht in meinen Text finde. Und: – das ist jetzt nicht direkt ein Karrieretipp, hilft aber, die Ellbogen eingefahren zu lassen – Ich glaube fest daran, dass es Platz für alle gibt und möchte alle Frauen dazu ermuntern, sich das erst auf Herz und Hirn tätowieren zu lassen. Ich habe kürzlich auf Instagram einen Spruch gelesen, der schönstes Wandtattoo-Potential hat: You can’t compete with me. I want you to win too. Und wo wir schon bei der Plattform sind, auf der wir alle zu viel Zeit verbringen: Instagram ist not real. Es ist sehr schön dort, ich habe viele meiner liebsten Menschen dort getroffen. Aber es ist eine kuratierte Realität. Das gilt nicht nur für Körperideale, sondern auch für den eigenen Job.

Was wärst du wohl geworden, wenn du nicht diesen Weg eingeschlagen hättest?

Ich wollte eigentlich lieber an eine Fachhochschule und sehne mich an stressigen Tagen manchmal danach, ein Handwerk zu beherrschen. Ich glaube, es war unser Chefredakteur, der mal vorschlug, dass wir eine Werkbank im Condé Nast Keller brauchen. Schreiben ist zwar auch ein Handwerk, der Schaffensprozess aber anders, als wenn man ein Produkt entwirft. Ich liebe Schmuck und habe eine große Faszination für Silber- und Goldschmiede. Darauf hätte ich Lust. Und ich würde gerne wieder mehr moderieren, das ist, wie so vieles, Pandemie-bedingt zu kurz gekommen.

Was sind deine Pläne/Wünsche für die Zukunft?

Ich brauche 100 Jahre um eine E-Mail zu beantworten und kann, zumindest privat, nicht bis übermorgen planen. Gepaart mit akuter Impulsivität wäre das wohl etwas, was ich angehen sollte. Aber ich lasse mich zu gerne überraschen. 

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