„Früher war da mehr“: Was tun bei Haarausfall?

Haarausfall

Ein muskulöser Mann mit voller Haarpracht unter der Dusche – in der Hand: Ein Shampoo gegen Haarausfall.

Ob nun Alpecin, Regain oder wie sie alle heißen, wollen uns seit Jahrzehnten weis machen, dass Haarausfall ein typisches Männerproblem ist. Aber: Höre ich mich so in meinem Freundeskreis um, beschweren sich auch immer mehr Frauen über ungewohnten Haarverlust und weniger Fülle. Klar, wir verlieren alle täglich Haare. Der eine mehr, der andere weniger. Dazu kommt auch noch, dass Brünette die verlorenen Haare optisch viel stärker wahrnehmen. Nach jeder Haarwäsche gleicht meine Dusche dem Boden eines Frisörsalons – aber ist das jetzt schon Haarausfall? Und wenn ja, was kann man da eigentlich gegen tun?

Shampoos, Nahrungsergänzungsmittel oder Tinkturen gegen Haarausfall überfluten den Beautymarkt.

Ich selbst habe mich noch nicht genug durchgetestet, um zu den Wundermittelchen ein informiertes Urteil abzugeben. Was ich allerdings weiß, ist, dass Haarausfall nicht gleich Haarausfall ist und dass Haare, wie auch die Haut, in stressigen Zeiten leiden können. Allerdings zeigt sich das auf dem Kopf meist eher mit ein paar Monaten Verzögerung.

Muss man also bei ein paar mehr Haaren in der Bürste sofort reagieren oder doch lieber erstmal abwarten?

Ich habe mir alle Insights zum Thema Haarausfall von einem Experten eingeholt. Andreas Meisen ist Facharzt für Chirurgie mit besonderer Spezialisierung auf Haartransplantationen an den Medical One Klinikstandorten Dortmund und Düsseldorf und soll ein wenig Klarheit in das angstbehaftete Thema bringen…

Haarausfall: Das sagt der Experte

Frollein Herr: Wie genau wird Haarausfall definiert?

Andreas Meisen: „Haarausfall ist der unwiederbringliche Verlust von Kopf- oder Körperbehaarung, der mit dem Untergang der Haarwurzeln verbunden ist. Hiermit grenzt er sich von dem „normalen“, täglichen Verlust von Haaren ab (ca. 50 – 100 /Tag), die aber im nächsten Wachstumszyklus der Haarwurzeln wieder nachwachsen.“

F.H.: Wie viele Haare muss man denn nun wirklich verlieren, dass man einen krankhaften Verlust diagnostizieren kann?

A.M.: „Zu unterscheiden wäre hier zunächst der erblich angeborene, mit dem Lebenszyklus voranschreitende Haarverlust (androgenetischer Haarausfall), von dem echten direkten krankheitsbedingten Haarverlust ( z. B. der Alopecia areata, der Kreisrundehaarverlust oder die Alopecia diffusa, die den ganzen Kopf unterschiedlich verteilt betreffen kann) und dem Verlust von Haaren bedingt durch Krankheiten ( z. B. Anämie, Morbus Crohn und weitere), medizinischen Therapien oder auch einfach durch Mangelzustände (Diäten, Bulimie, Anorexie). Aber auch der hohe Nikotingebrauch kann einen krankhaften Haarverlust auslösen und/oder beschleunigen. Eine bestimmte Menge ab der man von einem „krankhaften Verlust“ sprechen kann, gibt es nicht.“

F.H.: Wie entsteht Haarausfall?

A.M.: „Vereinfacht gesagt, tritt der medizinische Haarverlust dann ein, wenn die Haarwurzeln unwiederbringlich, absterben. Vielfältige Ursachen sind möglich.“

F.H.: Wo liegt der Unterschied zwischen erblich bedingtem und dem Haarausfall, der durch äußere Faktoren ausgelöst wird?

A.M.: „Der erbliche Haarverlust (androgenetischer Haarverlust), basiert auf den Erbinformationen, die wir bei unserer Geburt von unseren Eltern mitbekommen haben. Man kann es sich vereinfacht so vorstellen, dass jeder Haarwurzel, die ein Mensch hat, bereits bei seiner Geburt ein spezifische Lebensdauer vorgegeben wurde. Diese Lebensdauer kann nun durch die Lebensumstände und durch äußerliche Einflüsse beeinflusst werden, zumeist verkürzt sich die Lebensdauer der Haarwurzeln.

Eine Verlängerung der Lebenszeit über die erblich vorgegebene Zeit hinaus, ist nur in sehr begrenztem Ausmaß möglich. Ein vollständiges Stoppen des erblichen Haarverlustes ist nicht möglich, lediglich eine gewisse Verlangsamung kann erreicht werden. Verlorene Haarwurzeln, können nie wieder aktiviert werden.

Bei dem Haarverlust durch äußerliche Faktoren, gibt es sehr viele unterschiedliche Ursachen, die auf die betroffenen Haarwurzeln einwirken und dementsprechend auch den Verlauf des Haarverlustes gestalten. Es gibt Varianten mit einem vorübergehenden Verlust, wobei sich die Haarsituation wieder verbessert, bzw. normalisiert und Formen, die mit einem dauerhaften Verlust einhergehen.“

F.H.: Was kann man gegen beide Varianten tun?

A.M.: „Es werden jede Menge Produkte und Behandlungen angeboten, um den Haarverlust zu beeinflussen. In meinen Augen ist und bleibt der wichtigste Faktor eine gute Durchblutung der Haut und der Haarwurzeln, eine gesunde ausgewogene Ernährung und viel trinken. Weiterhin das Vermeiden von schädlichen Noxen, hier vor allem das Nikotin, intensive Sonneneinstrahlung und alle Formen von schädlichen chemischen Substanzen, egal ob in Shampooform, Haarspray, oder auch Haarfärbeprodukte, aber auch das häufige Tragen von straff sitzenden Baseballcaps, Kopftüchern oder Hüten.“

F.H.: Gibt es Produkte oder Wirkstoffe, die gegen beide Arten helfen können? Was raten Sie Ihren Patienten?

A.M.: „Bei den Produkten und medikamentösen Therapien komme ich immer wieder zu dem Schluss, dass ihr Einsatz sehr fraglich ist. Zur medikamentöse Therapie des erblichen Haarverlustes gehören heute vor allem die Gruppe der Finasteride, z.b Propecia und Proscar, die sehr häufig eingesetzt werden. Für mein Verständnis ist eine Verlängerung des erblich vorgegeben Lebenszyklus nur in engen Zeiträumen möglich und realistisch.

Dagegen gibt es eine ganze Reihe, an zum Teil schwersten Nebenwirkungen, die man bereit sein muss in Kauf zu nehmen. Bei einer Therapie, die geplant über 20- 40 Jahren durchzuführen wäre, in meinen Augen sehr kritisch zu sehen. Weiterhin werden Haarwasser, Shampoos und Haarprodukte angeboten (z.b. Alpecin, Regain, Minoxidil u.v.a.), allerdings ist deren Wirkung nicht bei jedem Patienten mit erblichen Haarverlust nachweisbar und sie sind leider auch keine Wunderwaffe, sondern ihre Wirkung eher begrenzt.

Insbesondere wenn sie kräftig einmassiert werden, sind zumindest kleine postive Effekte für den Anwender bemerkbar. So lange sie keine Nebenwirkungen zeigen, wie sehr trockene Haut, starke Schuppung, starkes Jucken, Rötung und Überwärmung der Haut, kann man sie bei subjektiv-positivem Empfinden benutzen. Nahrungsergänzungen und Suplimente sind nur in den allerseltensten Fällen sinnvoll. Eine noch sehr junge Therapie ist die PRP- oder Eigenblutbehandlung. Hierbei macht man sich die Heilungs- und Wachstumsbeschleunigungsfaktoren des eigenen Körpers zu nutzen. Aktuell geht man davon aus etwa 2/3 aller Patienten positiv auf die Behandlung reagieren, mit verstärktem, schnellerem und kräftigerem Haarwuchs und etwa 1/3 keine bzw. nur einen schwachen Effekt bemerken. Ein Haarverlust kann hiermit zumindest rausgezögert werden, ohne dabei negative Nebenwirkungen zu haben.

Im amerikanischen Markt sind Laserbehandlungen sehr beliebt. Einen positiver Effekt auf die Hautdurchblutung ist sicherlich nachweisbar. Als sehr nützlich haben sich galvanische Behandlungen der Kopfhaut, die man zuhause selbst durchführen kann herausgestellt, z.b. Galvanic Spa 2, Nu Skin. Bei besonders starkem Haarausfall, ist die Transplantation natürlich auch eine Methode, die in Erwägung gezogen werden kann.

Aber auch das einfache stimulieren der Kopfhautdurchblutung mittels Eigenmassage oder Igelball täglich, ist eine gute Unterstützung, garantiert ohne Nebenwirkungen.“

F.H.: Wieviele Menschen leiden unter Haarausfall?

A.M.: „Ich denke alle Menschen leiden unter einem Haarverlust, der eine etwas früher als der andere und der eine schwerer, der andere nur mit leichter Ausdünnung. Entscheidender ist für mich die Frage, wer darunter leidet und wer nicht. Ein Telly Savalas, alias Kojak wäre mir mit Haaren z. B. gar nicht vorstellbar.“

F.H.: Gibt es weitere Symptome, die den Haarausfall begleiten?

A.M.: „Der Haarverlust, egal wie stark und ausgeprägt er ist, wird von jedem Menschen unterschiedlich gesehen und bewertet. Jeder Mensch hat seine individuelle Betrachtungsweise und sieht sich selbst auf seine sehr subjektive Weise. Was den einen stört, ist für den anderen vielleicht kaum sichtbar und nachvollziehbar, aber dennoch für denjenigen da.

Zumeist führt eine als negativ empfundene Haarsituation zu Verlust des Selbstvertrauens. Dies kann zu Einschränkung des täglichen Lebens führen. Fehlendes Selbstvertrauen beeinträchtigt die sozialen Kontakte und berufliche Erfolge. Die Umwelt wird als unangenehme Situation empfunden und die Betroffenen ziehen sich zurück, oder versuchen mit allen Mitteln ihre Schwäche zu verbergen. In jedem Fall resultiert eine Einschränkung des subjektiven Selbstempfindens, der Selbstliebe und der Möglichkeit unbeschwert und glücklich zu sein.“

Haarausfall: Mein Fazit

Haarausfall, selbst wenn er zeitlich begrenzt ist, kann ebenso belastend sein, wie eine Problemhaut. Man fühlt sich unwohl, verliert an Selbstbewusstsein und versucht alles nur Erdenkliche, um etwas gegen das eigene Problem zu tun. Wie Dr. Meisen aber erklärt hat, gibt es auch bei diesem Beautyproblem nicht die eine, allgemeingültige Wunderwaffe, sondern worauf es besonders ankommt, ist herauszufinden, welche Art des Haarausfalls eigentlich vorliegt.

Ist es Stress, falsche Ernährung oder eine hormonelle Disbalance? Oder liegt vielleicht sogar eine genetische Prädisposition zugrunde? Um das herauszufinden, führt wohl kein Weg am Arzt vorbei. Also sucht Euch lieber einen kompetenten Experten, als hunderte Euro in ominöse Produkte zu investieren.

Was ich allerdings super interessant und leicht umzusetzen finde, ist, dass man durch regelmäßige Kopfhautmassagen die Durchblutung anregen kann und so dem Haarverlust vorbeugen oder entgegenwirken kann. Das werde ich auf jeden Fall in meine Haarroutine einbauen. Ob Ihr nun betroffen seid oder Euch einfach so für das Thema interessiert: Wie bei dem meisten Beautyproblemen hilft auch beim Haarausfall eine gesunde Ernährung und eine gute Feuchtigkeitsversorgung des Körpers. Wie so oft gilt aber auch hier: Produkte können helfen, müssen aber nicht und manchmal ist der Weg lang, bis man etwas findet, das für einen selbst wirklich funktioniert.

Falls Ihr allerdings einen tollen Geheimtipp für Haarwachstum oder gegen Haarausfall habt, immer her damit!

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