Mythos oder Wahrheit: Was ist dran am Beautytrend Skin Fasting?
Angefangen bei Manrepeller, über Elle, Instyle und Women’s Health – alle einschlägigen Magazine schreiben plötzlich über den neusten Hautpflegetrend aus den USA: Skin Fasting.
Skin Fasting, also die Beautyprodukt-Fastenkur, ist im Prinzip die Nulldiät, die ich nach meiner Perioralen Dermatitis einhalten musste – das komplette Weglassen jeglicher Kosmetikprodukte. Und was soll der Trend bringen? Sensationell schöne Haut natürlich, so wie jeder gehypte Beautytrend. Schön und gut – mir hat die Nulldiät nach der Überpflegungsreaktion meiner Haut schließlich geholfen, aber meine Haut wies auch einen krankhaften Zustand auf. Wie aber soll eine normale, gut gepflegte Haut davon profitieren?
Skin Fasting: Das verspricht der Trend
Im Prinzip fußt die Theorie, dass der Verzicht auf jegliche Kosmetika sich positiv auf die Haut auswirkt, auf der Annahme, dass unser Körper einen gewissen Anteil an Sauerstoff über die Haut aufnimmt. Durch die Verwendung bestimmter Kosmetika soll der Sauerstoffaustausch allerdings gestört werden.
An diesem Punkt bin ich das erste Mal stutzig geworden, denn: Wir erinnern uns doch alle an die legendäre Filmszene aus James Bond’s „Goldfinger“, in der Shirley Eatons Körper komplett in Gold getaucht wird und sie schlussendlich daran erstickt. Im Jahr 1964, als der Film gedreht wurde, hat diese Todesursache wohl Sinn ergeben, heute aber wissen wir, dass der Mensch ausschließlich durch Mund und Nase atmet.
Was soll also das Argument, dass unsere Haut aufgrund von Beautyprodukten nicht atmen kann?
Naja – kommen wir erstmal zurück zum Versprechen des Skincare-Trends: Eine Woche lang soll man auf alle Beautyprodukte verzichten, um die Haut zu entgiften. Das lasse ich mir gerade noch eingehen – schließlich habe ich am eigenen Leib erfahren, zu welchen Selbstheilungskräften die Haut fähig ist, wenn man alle irritierenden Faktoren weglässt. Und trotzdem – ich war von der ersten Minute an skeptisch, was diesen Beautytrend angeht. Die Artikel, die ich gelesen habe (und das waren so einige) hatten einfach alle den exakt selben Wortlaut und in keinem kam ein Dermatologe zu Wort.
Also habe ich das mal für uns alle in die Hand genommen und die Dermatologin Livia Zanardo nach ihrer Expertenmeinung gefragt. Kleiner Spoiler: Glaubt nicht alles, was Ihr in der Zeitung lest!
Skin Fasting: Das sagt die Expertin
Frollein Herr: Was halten Sie als Dermatologin vom Skincare-Trend Skin Fasting?
Livia Zanardo: „Um ehrlich zu sein, habe ich mit diesem Trend irgendwie ein Logik-Problem. Ich pflege meine Haut ja um bestimmte Probleme zu verbessern – wenn die Haut besser wird wenn ich alles weglasse, dann habe ich vorher etwas falsch gemacht – dann war es die falsche Pflege. Dies ist auch tatsächlich bei 40-60% meiner Patienten der Fall. Es ist außerdem ein hartnäckiges Gerücht, dass trockene Haut mit Creme noch trockener wird, weil sie selbst die Produktion von Fett einstellt. Trockene Haut wird gecremt weil sie Pflege braucht – je länger man die Pflege hinauszögert, desto mehr Trockenheitsekzeme bekommt sie.“
F.H.: Kann man die Haut denn überhaupt detoxen? Oder ist das nur eine clevere Marketingstrategie?
L.Z.: „Na ja, wenn man die Haut vorher falsch gepflegt hat und sich dann störende Veränderungen wie Unreinheiten oder eventuell sogar eine Periorale Dermatitis gebildet haben, dann ist es sinnvoll für eine gewisse Zeit alle Pflegeprodukte wegzulassen. Oder man lässt sich von einem Fachmann/Fachfrau beraten und stellt die Pflege entsprechend der Hautbeschaffenheit um.“
F.H.: Stimmt es denn überhaupt, dass ein gewisser Anteil des Sauerstoffs über die Haut aufgenommen wird und dieser Vorgang durch bestimmte Kosmetikprodukte verhindert werden kann?
L.Z.: „Nein, die Haut nimmt keinen Sauerstoff auf. Man erstickt also nicht wenn man einen Latexanzug trägt oder längere Zeit mit der Haut unter Wasser ist. Die Hauptaufgabe der Haut ist die Barrierefunktion. Das heißt, schädliche Umwelteinflüsse von der Haut fernzuhalten und Lipide und Feuchtigkeit in der Haut zu halten. Diese Barriere besteht vor allem aus Hautzellen, verschiedenen Fetten und Fettsäuren und Feuchtigkeit (Wasser).
Wird die Haut aber durch falsche Fette, Silikone und Erdölverbindungen in bestimmten Kosmetika „abgedichtet“ so fängt sie an zu schwitzen und verliert Wasser. Dadurch trocknet die Haut aus und die Barrierefunktion ist gestört. Jetzt können zum Beispiel Keime aus der Umwelt leichter in die Haut eindringen und Entzündungen verursachen.
Kommt die Haut mit zu viel Wasser in Kontakt, werden die Lipide der Haut ausgewaschen und die Hautbarriere wird ebenso gestört. Durch die richtige Pflege mit der richtigen Balance an Fett und Wasser helfen wir also der Haut die Schutzbarriere zu erhalten. Sauerstoff lässt übrigens die Hautfette oxidieren, also ranzig werden, daher tragen wir auch Antioxidantien auf. Die Haut würde noch schneller altern und sich selber schaden wenn sie Sauerstoff aufnehmen würde.“
F.H.: Welche Hauttypen sollte so ein Skin Fasting nicht machen?
L.Z.: „Bei oben bereits erwähnter trockener und empfindlicher Haut sollte man das nicht machen, da muss man auf negative Reaktionen wie Spannungsgefühl, Rötung, Juckreiz und Entzündungen nicht lange warten. Wenn die Haut überpflegt war, oder einfach trocken ist, dann muss man auf alle Fälle mit einem mehr oder weniger starkem Trockenheitsgefühl rechnen. Sollte bereits eine Periorale Dermatitis vorliegen, kommen meist noch starke Rötungen und Schuppung dazu.“
F.H.: Könnte es bei öligen Hauttypen nicht sogar passieren, dass die Poren verstopfen, weil keine gründliche Reinigung vorgenommen wird?
L.Z.: „Durchaus! Wenn man vorher die richtige Pflege hatte, dann kann es bei allen Hauttypen zu Problemen kommen – ölige Haut weil die Poren verstopfen, trockene Haut weil noch mehr Fett und Feuchtigkeit fehlt, stark umweltbelastete Haut weil der Schutz fehlt. Die Hautprobleme kamen ja nicht durch die Pflege zustande, sondern man möchte die Hautprobleme mit der Pflege bekämpfen. Sonst brauche ich grundsätzlich keine Pflegeprodukte zu verwenden.“
Skin Fasting: Mein Fazit
Die Antworten der Dermatologin bestätigen also meine Vermutung: Skin Fasting ist ein toller neuer Trendbegriff, hinter dem allerdings eher wenig Benefit für die Haut steckt. Leidet man unter einer Perioralen Dermatitis oder pflegt die Haut falsch, dann sollte man unbedingt einen Produkt-Entzug machen – das bedeutet allerdings nur, dass man die Produkte weglässt, die der Haut geschadet haben und dass man sich im besten Fall Hilfe vom Experten sucht, um die richtige und passende Routine für den eigenen Hauttyp zu finden.
Ohne medizinische Indikation aber, wahllos einfach alle Kosmetik wegzulassen, hilft nicht nur nix, sondern kann den Hautzustand im schlimmsten Fall sogar deutlich verschlechtern. Wie es scheint, hat irgendwer den Trend ins Leben gerufen, ohne ihn wissenschaftlich in irgendeiner Form belegen zu können. Alle anderen Artikel waren dann einfach nur noch eine Variation des Ursprungstextes.
Merke: Gute und passende Beautyprodukte sind sinnvoll und helfen der Haut Defizite auszugleichen und sind sogar notwendig, um sie vor schädlichen äußeren Einflüssen zu schützen. Die Betonung dabei liegt allerdings immer auf „passend“.