Von falschen Erwartungen und harter Arbeit: Wieso Liebe kein Zuckerschlecken ist

Wir kennen ihn alle. Den Moment im Film, in dem das Paar erkennt, dass es nur diese oder jene Sache ändern/überwinden/klarstellen muss um dann für immer und ewig glücklich zu sein. Und das am besten ganz dramatisch im Abflugsterminal des Flughafens. Abspann, große Liebe, große Erwartung.

Als jemand der bis Ende 20 weitestgehend unberührt von ernsthaften Beziehungen geblieben ist, war ich (unter anderem wegen oben genannter Filmsequenzen) stets der Auffassung, dass sich Liebe durch allgemein bekannte Floskeln wie „Wenn es passt, dann passts“, „Wenn es der Richtige ist, merkt man das“ oder „wahre Liebe überwindet alles“, erklären ließe. Heute, nach zwei Jahren Beziehung fällt mir dazu nur eins ein: BULLSHIT!

Heute, nach zwei Jahren Beziehung fällt mir dazu nur eins ein: BULLSHIT!

In meinen Augen gibt es keine schwierigere, komplexere und forderndere Aufgabe, als sein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen, zu gestalten und zu genießen. Klar, die Floskel „eine Beziehung ist harte Arbeit.“, hab ich auch schon mal gehört. Aber irgendwie klingt die doch nicht ganz so schön, wie die anderen und rückt deshalb gerne mal in den Hintergrund.

Aber erstmal von Vorne. Seitdem ich denken kann, bin ich Single. Die ein oder andere Verliebtheit gab es zwar schon, aber bis 17, 18 war vom Wort Beziehung nie die Rede. Als ich dann meinen ersten offiziellen festen Freund hatte, Hormone, Wunschvorstellungen und Unsicherheiten verrückt spielten, dachte ich doch dank all der Liebesfilme, Sex and The City Folgen & Co., genau zu wissen, wie das Ganze abzulaufen hat. Erstmal brauchen wir ein Problem. Ist doch schließlich in jeder guten Schnulze so, oder? Erst wenn man ein Problem hat, das man lösen kann, verdient man danach das Happy End.

Erst wenn man ein Problem hat, das man lösen kann, verdient man danach das Happy End.

Probleme hatten wir genug. Drama für ein ganzes Leben. Nur die Lösung ließ auf sich warten. Und das Happy End sowieso. So gingen dann drei Jahre voller Hin- und Her, Liebeskummer und großer Gefühlen dahin, bis es zum unausweichlichen letzen Akt kam und die Tragödie (endlich) ihr dramatisches Ende nahm. Danach beschloss ich ganz bewusst Single zu bleiben. Mir war die Sache mit der Liebe einfach zu anstregend. Alleine schien mir das Leben so viel leichter.

Alle die eine schöne erste Beziehungserfahrung hatten und gelernt haben, dass Zweisamkeit auch etwas sehr Positives sein kann, würden mir jetzt wahrscheinlich widersprechen. Aber nach dem ersten großen Liebeskummer, erschien mir das Alleinsein eine ziemlich entspannte Angelegenheit zu sein. Ich bin generell der Meinung, dass Alleinsein sehr heilsam ist. Menschen die von Beziehung zu Beziehung springen, bekommen doch meist früher oder später einen Rappel und wollen dann gleich ihr ganzes Leben ändern. Zu lange alleine zu sein, hält allerdings auch so seine Tücken parat.

Zu lange alleine zu sein, hält allerdings auch so seine Tücken parat.

Denn: Ich habe es mir in meinem Singleleben wahnsinnig bequem gemacht. Die einzige Meinung, auf die ich hören musste, war meine eigene und da war weit und breit niemand, der auch nur ansatzweise ein Veto hätte einlegen können. Also dümpelte ich 7 Jahre als mehr oder weniger glücklicher Single durchs Leben und konnte meinen Bedürfnissen, Macken und Eigenheiten jede Menge Raum geben. Zu viel Raum vielleicht, denn als ich dann meinen jetzigen Freund kennenlernte und es recht schnell in Richtung feste Beziehung lief, hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie zur Hölle so eine Beziehung eigentlich funktionierte.

Zu viel Raum vielleicht, denn als ich dann meinen jetzigen Freund kennenlernt und es recht schnell in Richtung feste Beziehung lief, hatte ich nich die geringste Ahnung, wie zur Hölle so eine Beziehung eigentlich funktionierte.

Plötzlich gab es da jemanden, der einen genauso großen Anteil an der Gestaltung des gemeinsamen Lebens hatte, wie ich. Und das war neu. Ist immer noch neu. Denn auch nach zwei Jahren, vielen Erfahrungen, Streits und natürlichen vielen, vielen schönen Momenten, komme ich immer noch nicht umhin, mich darüber zu wundern, was für ein falsches Bild von der Liebe in unserer Gesellschaft vermittelt wird. Nicht nur in Film und Fernsehen, sondern auch in unserem alltäglichen Leben. Zu oft versuchen wir doch den schönen Schein zu wahren und tun nach außen hin so, als sei alles gut und schön so (Instagram sei dank). Statt mal aufzustehen und zu sagen: „Heute früh wollte ich meinem Freund eigentlich den Kopf abreißen. Dann habe ich drei Runden um den Block gedreht um mich wieder abzuregen und jetzt ist alles gut.“ Das wäre doch mal überraschend ehrlich.

„Heute früh wollte ich meinem Freund eigentlich den Kopf abreißen. Dann habe ich drei Runden um den Block gedreht um mich wieder abzuregen und jetzt ist alles gut.“ Das wäre doch mal überraschend ehrlich.

Was ich also erstmal lernen musste: Es gibt keine Beziehung in der es nicht mal kriselt. In der man nicht aneinander gerät und das ein oder andere Mal einfach alles hinschmeißen möchte, nur um endlich seine Ruhe zu haben. Und das ist nicht traurig, sondern in meinen Augen wahnsinnig beruhigend. Jedes Mal wenn mein Freund und ich Streit haben und ich mir denke „Was zur Hölle ist eigentlich falsch mit uns?“ gibt es nichts, was mich schneller wieder auf den Boden der Tatsachen holt, als wenn mir eine Freundin von einer ähnlichen Situation in ihrer Beziehung erzählt.

Wieso singt man dann nicht auch mal einen Song darüber wie nervig es ist, dass der andere das Geschirr nicht in die Spülmaschine räumt oder dass man Fußballschauen eigentlich komplett Scheiße findet?

Wieso singt man dann nicht auch mal einen Song darüber wie nervig es ist, dass der andere das Geschirr nicht in die Spülmaschine räumt oder dass man das Hobby des anderen insgeheim eigentlich komplett Scheiße findet? Gibt es Romane über all die kleinen Kompromisse des Alltags, die man eingehen muss, um mit einer anderen Person leben zu können? Nein! Dabei sieht die Realität doch schlichtweg so aus: Es treffen in einer Beziehung zwei völlig verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Erfahrungen und Wünschen aufeinander, die mit der Zeit vielleicht auch mal an ganz anderen Punkten in ihrem jeweiligen Leben stehen und mit ihren sehr eigenen Problemen zu kämpfen haben. Und dann kommt man mit Kuscheln nicht weiter. Dann muss man sich hinsetzen, reden, Kompromisse eingehen und hart arbeiten.

Und dann kommt man mit Kuscheln nicht weiter. Dann muss man sich hinsetzen, reden, Kompromisse eingehen und hart arbeiten.

Wer jetzt denkt „Oh, das klingt aber so, als seist du nicht so glücklich in deiner Beziehung“, der irrt. Aber wenn ich etwas in meiner langen Singlephase gelernt habe, dann ist es, dass ich definitiv keine einfach gestrickte Person bin und mein Freund ebenso wenig. Deshalb geraten wir zwangsläufig hier und da aneinander und würden uns mit Sicherheit gerne das ein oder andere Mal im Schlaf ein Kissen aufs Gesicht drücken. Aber der Fakt, dass wir uns eben nicht gleich wieder in unser gemütliches, vertrautes und unaufgeregtes Singledasein flüchten, sondern uns mit dem auseinandersetzen, was uns das Leben in einer Beziehung entgegenwirft, ist das, was Liebe für mich ist, was „eine Beziehung führen“ heißt. Nicht das blinde Verstehen oder das Herzflattern. Sondern die Mühe, die man sich macht, die Dinge, die man tut, obwohl man sie nicht will, weil man weiß, dass es dem anderen eine Freude bereitet.

Romantik hin oder her. Am Ende des Tages ist eine Beziehung eine Entscheidung, die man jeden Tag aufs Neue wieder trifft. Und ich denke, dass es uns allen gut tun würde, ein bisschen mehr Realität in der Liebe zuzulassen, ehrlicher zu sein und das eigene Glück nicht an der Anzahl der „Ich liebe Dich“’s am Tag zu messen. Jede Beziehung macht ihre eigenen Regeln, steckt mal in einem Loch und will tagtäglich umsorgt werden. Nein, Liebe ist kein Zuckerschlecken. Und trotzdem die wahrscheinlich schönste Sache der Welt.

Nein, Liebe ist kein Zuckerschlecken. Und trotzdem die wahrscheinlich schönste Sache der Welt.

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13 Antworten zu “Von falschen Erwartungen und harter Arbeit: Wieso Liebe kein Zuckerschlecken ist”

  1. Danke, Danke, Danke für so viel Ehrlichkeit!
    Es fast schon witzig wie ähnlich sich dein Beziehungsleben über die Jahre hinweg meinem ähnelt ? Ich glaube, du wärst eine der wenigen Leute, die mich endlich mal verstehen würden ?
    Liebe Grüße 🙂

  2. Wenn du wüsstest wie ähnlich! Es liest sich fast so, als wäre es meine „Liebesgeschichte“. & du hast mich gerade mehr als beruhigt ? die meisten meiner Freunde würden soeas nie zugeben oder ticken in Sachen Beziehungen ganz anders als ich…

  3. supertoll geschriebener Artikel, der wahrscheinlich jeder Frau aus der Seele spricht! Und wenn dann noch Kinder dazukommen, wird’s noch mal komplizierter ( und auch noch mal schöner…?)

  4. Sehr schön geschrieben Maus, das kennen wir alle. Den „perfekten“ Mann gibt es nicht und das ist auch gut so, denn das würde uns nach 3 Monaten so auf den Keks gehen! Mehr davon 😉 Lg alexia

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