Die Evolution der Freundschaft und wieso ich keine beste Freundin brauche

Freundschaft

In der Grundschule hatte ich drei beste Freundinnen.

Moment, das könnte man eventuell falsch verstehen – ich hatte drei Freundinnen, die sich wöchentlich darin abwechselten meine beste Freundin zu sein. Ging mir eine auf den Keks, bekam eben die andere das Krönchen und damit meine ungeteilte Liebe. In meinem Kinderkopf schien es ganz normal, dass es nur eine Person geben kann, die den ersten Platz bekam.

In der Pubertät wurde das Ganze dann ein wenig konstanter – da blieb der Titel BFF für ein bis zwei Jahre bei ein und derselben Person (Wow!). Gegen Ende meiner Schulzeit gestaltete es sich dann schon etwas schwieriger, sich nur für eine Person zu entscheiden und für den Grad der Komplexität, den wir heute erreicht haben, finde ich kein passendes Adjektiv. Denn:

Ich habe keine beste Freundin – und bin damit eigentlich ziemlich fine.

Es ist doch so: Freundschaften werden mit den Jahren komplexer und erfordern mehr Mühe. Hat man früher noch jede Pause, jede Schulstunde und sogar noch die Nachmittage mit seiner besten Freundin verbracht und so die Freundschaft alleine durch Nähe gestärkt, stapeln sich in meinem WhatsApp-Postfach jetzt Nachrichten a là „Sorry, bei mir ist derzeit so viel los – aber lass uns unbedingt ganz bald wieder telefonieren!“ – und zwar sowohl im Gesendet- als auch im Empfangen-Ordner. Dazu kommt auch noch, dass ich inzwischen in der Lage bin, meine freundschaftliche Liebe auf mehrere Personen gleichzeitig aufzuteilen. Ich brauche nicht die eine Person, die alles über mich weiß und immer für mich da ist.

In meinen 30 Jahren haben sich da so einige Vertraute zusammengefunden, die allesamt in meinem inner circle Platz haben.

Ich habe Freunde, die ich nur selten sehe, welche, die ich fast täglich sehe oder welche, die ich weder sehe, noch regelmäßig höre und trotzdem weiß, dass sie meine Freunde sind. Denn: Es ist verdammt schwer geworden, neben einem Full-Time-Job, einer Beziehung oder sonstigen sozialen Aufgaben regelmäßig die Zeit zu finden seine Freundschaften zu pflegen. Versteht mich nicht falsch – ich liebe meine Freunde, aber manchmal erscheint mir so ein freier Abend vor dem TV dann doch verlockender, als die Höhen und Tiefen der letzten Wochen im Schnelldurchlauf zu besprechen, weil man sich schon wieder viel zu lange nicht mehr gesehen hat.

Eigentlich sollte es dann ja leichter sein, nur eine beste Freundin zu haben, oder?

Weniger Leute, weniger Mühe, weniger Zeit! Aber die Realität sieht anders aus. Das Konzept der Besten Freundin ist nämlich spätestens dann bei mir gescheitert, als eine von uns beiden einen Freund hatte. Verschiebt sich der Fokus nämlich (wenn auch nur kurzfristig) von der BFF zum BF, wird es verdammt kompliziert und oft geht es dann traurig zu Ende. Nicht nur deshalb halte ich das Konzept der Besten Freundin im Erwachsenenalter für kaum praktikabel. Wir lernen beruflich und privat ständig neue Leute kennen, die zu Freunden werden können. Dann teilt man gewisse Interessen oder Hobbies, verbringt Zeit zusammen und schwupps ist eine neue Freundschaft geboren. Wohin dann nur mit der Alten? Und muss ich meine Freunde wirklich durchnummerieren? Wie kompliziert das doch damals war.

Statt eine Freundschaft auf dem Fakt aufzubauen, dass man in Mathe immer nebeneinander sitzt, sind wir heute viel wählerischer geworden.

Zeit und Liebe sind sehr kostbare und vor allem rare Güter, die ich nicht so leicht hergebe. Ich habe in der Vergangenheit viele Freundschaften geführt, die mir eigentlich nicht gut taten oder habe an Beziehungen festgehalten, die längst ihre Basis verloren hatten. Aber man kennt sich schließlich schon so lange?! Damit ist seit einiger Zeit Schluss und das ist für mich einer der größten Schritte hin zum Erwachsensein gewesen. Meine ältesten Freunde sind wild über den Globus verteilt und die regelmäßigen Telefondates werden in stressigen Zeiten einfach weniger. Aber gerade weil ich heute in der Lage bin, anderen den Raum zu geben, den sie brauchen und mir diesen wiederum auch selbst zu nehmen, funktioniert das Ganze wunderbar. Früher war ich schon sauer, wenn meine beste Freundin nicht wie versprochen in der Werbepause von GSZS angerufen hat, heute aber habe ich jedes Verständnis der Welt, wenn eine meiner Liebsten einen Monat mal nicht zu erreichen ist.

Es ist kein Wettkampf mehr, es gibt kein Krönchen, das verliehen wird – ich habe keine eine beste Freundin, die jedes meiner dunkelsten Geheimnisse kennt.

Mein soziales Leben besteht aus so vielen unterschiedlichen Vertrauten – von meiner Schwester, über alte und neue Freundinnen, bis hin zu meinem Freund, der tatsächlich auch mein bester Freund ist. Ich weiß zu 100% wen ich im absoluten Notfall anrufen könnte und auf wen dann Verlass ist. Liebeskummer? Betrunken? Was auch immer – da sind Leute, die alles stehen und liegen lassen würden, wenn ich danach fragen würde.

Aber Erwachsensein bedeutet auch, es vielleicht auch mal alleine zu schaffen oder zumindest es zu versuchen.

Manchmal allerdings wünsche ich mir das Konzept der BFF ganz heimlich zurück. Die Zeit in der man jeden Nachmittag mit dieser einen Person, die dich in und auswendig kennt, verbringt und in der das größte Problem der Typ aus der Parallelklasse war, der dich einfach nicht beachtet. Dann aber fällt mir aber ein, dass es Rechnungen zu zahlen, Deadlines einzuhalten und irgendwie sein Leben auf die Reihe zu bekommen gilt.

Die Zeiten ändern sich, Freundschaften ändern sich, die Nähe allerdings bleibt. Und ich bin froh, dass ich keine beste Freundin mehr brauche – sondern dass ich heute ganz viele unterschiedliche Menschen in meinem Leben habe, für die das Kürzel BFF viel zu kurz ist.

 

2 Antworten zu “Die Evolution der Freundschaft und wieso ich keine beste Freundin brauche”

  1. Ich denke das hat auch viel mit dem beruflichen Status als Selbstständige/r zu tun, der nicht wirklich im Artikel zur Sprache kam. In einem Arbeitsumfeld mit vielen Kollegen gestaltet es sich doch eher wie in der Schule. Ansonsten bin ich bezüglich des Artikels etwas enttäuscht. Ich denke man „entscheidet“ sich nicht bewusst für oder gegen einen besten Freund, es sind doch eher die beschriebenen Umstände, Interessen, Prioritäten, die das veranlassen und man selbst hat da nicht wirklich so viel Einfluss darauf, ob es überhaupt einen Menschen gibt, der (außer dem Partner) diesem Titel gerecht wird. Auch versteht doch jeder der etwas anderes unter der Bezeichnung (was eigentlich?). Ich hätte mir etwas mehr von dem Artikel erhofft. Dennoch interessantes Thema und ich freue mich auf kommende Artikel.

    • Liebe Selma,
      vielen Dank für dein Feedback. Natürlich versteht jeder etwas anderes unter dem Titel „beste Freundin“ – ich allerdings habe mich tatsächlich an einem Punkt in meinem Leben gegen gewisse Normen oder Standards entschieden und aufgegeben alles in einer einzigen Person zu suchen. Und das auch noch vor meiner Selbstständigkeit. Jetzt ist das natürlich nochmal schwieriger und alleine die Zeit spielt eine große Rolle. Vielleicht konnte ich durch meinen Artikel dennoch einen Denkanstoß geben 😉 Ich wünsche dir einen schönen Feiertag!
      Liebe Grüße,
      Karo

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