„Nein, ich möchte nichts trinken und nein, ich bin nicht krank!“

„Ich bin nicht schwanger, nicht krank und auch nicht ansteckend. Ich möchte nur nichts trinken. Danke.“

Dieser Satz ist oft der erste, der mir auf Presseterminen über die Lippen kommt. Noch vor „Hallo, wie gehts dir? Lange nicht mehr gesehen.“ oder „Vielen Dank für die Einladung.“ Und wieso das? Weil einem meist schon an der Tür, noch bevor man seine Jacke ausgezogen hat, ein Glas Champagner in die Hand gedrückt wird. Das gehört in der Mode- und Beautybranche einfach dazu und das habe ich auch schon vor Jahren gelernt und akzeptiert. Wenn ich dann aber nach einem langen und stressigen Tag, mit leerem Magen, abgehetzt bei der letzten Station meines Arbeitstages ankomme und nicht unbedingt nach drei Minuten beschwipst in der Ecke liegen möchte, lautet meine Antwort meist eher „Nein, Danke.“

Gar nicht mal so komisch, oder? Oh doch.

Es ist nämlich so: In Zeiten in denen jeder zweite eine Lebensmittelunverträglichkeit hat und auf Kuhmilch, Gluten oder weiß der Geier was verzichtet, scheint es trotzdem immer noch unvorstellbar zu sein, dass man keinen Alkohol trinken möchte. Nicht nur unvorstellbar, sondern geradezu ein Affront. Und dann wird man mit großen Augen angeschaut und muss sich erklären. Das ist aber nicht nur in der Modebranche so, sondern auch in meinem Privatleben. Und so höre ich regelmäßig die immer gleichen Fragen: „Wieso trinkst du nicht? Bist du schwanger? Nimmst du Antibiotika? Bist du mit dem Auto hier?“ Am liebsten würde ich dann immer mit einer Lebensbeichte über meine Alkoholsucht antworten. Dann wäre nämlich höchstwahrscheinlich ziemlich schnell Ruhe.

Aber das stimmt nicht. Ich habe kein Problem mit Alkohol. Ich trinke nur sehr selten.

Das war eigentlich auch schon immer so. Und soll ich Euch verraten wieso? Weil er mir erstens gar nicht mal so gut schmeckt, ich zweitens ein kleiner Kontrollfreak bin und mir das „Loslassen“ eben nicht in jeder Lebenslage so leicht fällt und ich drittens am nächsten Tag mit einem Kater aus der Hölle aufwache. Ich neige schon nach wenig Alkohol zu einem ausgewachsenen Kater, der mir den nächsten Tag komplett verdirbt. Und deshalb wäge ich sehr gut ab, wann ich wirklich trinken möchte und wann eben nicht.

Als ich noch festangestellt war, bin ich ab und an zwar auch verkatert in die Arbeit gegangen, heute aber kommt das so gut wie nie vor. Weil ich früh aufstehen muss, morgens am meisten schaffe, meine Tage recht straff durchgetaktet sind und ich eben lieber früher Feierabend mache, als spät und verkatert anzufangen. Ende der Geschichte.

Für viele von Euch wird das jetzt langweilig klingen, aber lasst mich Euch versichern, dass ich keine komplette Spaßbremse bin. Ich kann mit oder ohne Alkohol wach bleiben, Spaß haben und den Abend genießen. Und wenn mir danach ist, dann trinke ich auch. Wenn dann aber richtig. Da läuft in meinem Kopf nämlich eine simple Kosten-Nutzen-Rechnung ab und wenn ich mir den Kater am nächsten Tag erlauben kann, dann trinke ich gerne und vor allem viel (muss sich ja schließlich auch lohnen, nicht wahr?).

Aber das geschieht immer aus meiner eigenen Entscheidung heraus und nicht, weil ich irgendeinen sozialen Druck verspüre.

Was ich an der Empörung meines Gegenübers, wenn ich auf die Alkoholfrage mit „Nein“ antworte übrigens auch sehr verwundert, ist der Fakt, dass ich mir als Raucherin regelmäßig anhören darf, wie schädlich das doch sei und dass ich höchstwahrscheinlich daran sterben werde. Alkohol wiederum ist fine. Und zwar in rauen Mengen. Damit möchte ich die Schädlichkeit des Rauchens nicht im geringsten mindern, ich möchte nur betonen, dass das eine gesellschaftlich akzeptiert ist und das andere eben nicht.

Man geht ja auch nicht auf jemanden zu, bietet ihm einen Joint oder eine Line Koks an und ist beleidigt, wenn die Person ablehnt, oder?

Mir ist bewusst, dass der Vergleich ein wenig hinkt, da es beim Alkohol besonders auf die Menge und Häufigkeit ankommt, aber dennoch gehört Alkohol für mich persönlich in die Kategorie „schädlich, wenn man ihn nicht in Maßen genießt“. Trotzdem ist er gesellschaftlich akzeptiert und gehört zu unserem Leben dazu. Das hat Rauchen allerdings auch mal, bevor es vor einigen Jahren aus der Gesellschaft verbannt wurde. Lobbying ist hier ein wichtiges Stichwort.

Dazu kommt noch, dass einem meist leider keine leckeren alkoholfreien Alternativen angeboten werden. Auf die Frage, ob es denn auch etwas ohne Alkohol gäbe, antworten Kellner meist verwirrt mit „Ähh, ja… Wasser halt.“ Und so stehe ich dann meist in einer Runde Champagnertrinker und stoße mit einem Wasserglas an, als wäre es ein Erkennungszeichen für meine Andersartigkeit. Yay.

Jedem sollte doch selbst überlassen sein, wie er sich ernährt, wieviel er schläft oder ob er eben Alkohol trinkt oder nicht.

Ich persönlich liebe angetüterte Abende und möchte die auch nie, nie, nie missen, aber: Ich möchte mich auch nicht für meine Entscheidung rechtfertigen müssen, wieso ich mich an diesem oder jenen Abend (oder auch Morgen) gegen das Trinken von Alkohol entscheide. Das ist meine Sache und braucht auch nicht immer einen triftigen Grund (oder gar ein Attest vom Arzt), wie ich finde.

Selbst mein Freund ist manchmal enttäuscht, wenn ich den Rotwein beim Abendessen ausschlage – weil er die betrunkene Karo einfach so lustig findet. Ja, ich bin lustig wenn ich getrunken habe, aber ich bin ganz und gar nicht lustig, wenn man mich zum Trinken drängt. Das ist ungefähr so wie früher nach der Schule, wenn man sich in der Gruppe nicht traut die Zigarette abzulehnen, weil man Angst hat, dann nicht mehr dazuzugehören.

Und aus diesem Alter sind wir doch wohl alle inzwischen raus, oder?

Deshalb wünsche ich mir mehr Akzeptanz und Respekt gegenüber der Entscheidungen unserer Mitmenschen – egal welches Thema es betrifft. Und wenn mir das nächste Mal jemand Alkohol anbietet, den ich höflich ablehne, wünsche ich mir statt einer Reaktion à la „Wieso? Bist du schwanger/krank/etc.“ einfach mal „Hallo wie gehts dir? Lange nicht mehr gesehen.“ 

9 Antworten zu “„Nein, ich möchte nichts trinken und nein, ich bin nicht krank!“”

  1. Sehr klasse, dass du dieses Thema ansprichst! Danke danke danke!

    Mit diesem Problem habe ich es auch schon lange zu tun…
    Ich mag einfach keinen Alkohol, denn er schmeckt mir nicht. Außerdem fühle ich mich nach einem Glas nicht etwa locker und leicht sondern eher benebelt und, als ob ich gleich
    krank werde…

    Wenn man freundlich und dankend ablehnt, kommen blöde und unverschämte Bemerkungen… Aber das hast du ja sehr schön in deinem Artikel beschrieben.

    Ich habe tatsächlich irgendwann aufgehört, mich immer zu erklären. Meine Lieblings Antworten waren dann:

    1. klar bin ich schwanger, sieht man das nicht?
    2. ich muss noch fahren (auch wenn jedem klar war, dass ich zu Fuß da war) ?
    3. ich habe gar kein Problem ohne Alkohol

    Wenn es ein offizieller Anlass ist, bei dem ich nicht unbedingt auch einen Spruch ablassen möchte, nehme ich das Glas freudestrahlend entgegen. Dann proste ich jedem zu und stoße kräftig an. Plaudere und plaudere und nippe ganz kurz daran (oder tue nur so) . Und während ich weiter plaudere stelle ich das komplett volle Glas irgendwo in die Ecke. Fertig !

    Das klappt ganz prima. Und wenn ich leer da stehe, und man mir das nächste Glas anbietet, mache ich es immer genau so. Am Ende denkt jeder, ich habe flaschenweise Champagner getrunken und ich hab meine Ruhe und keinen Kater ?

    Aber eines ist ja wohl klar (und auch wissenschaftlich erwiesen): die meisten Deutschen haben tatsächlich ein Alkoholproblem. Und zwar kein kleines!! Aber wer davon betroffen ist, mit dem muss und kann man nicht noch seine Einstellung diskutieren. Bringt eh nix.

    • Ich glaube es geht super vielen Leuten so wie dir und mir, aber ich bin dafür, dass wir nicht mehr so tun als ob wir doch trinken würden (habe ich auch lange gemacht), sondern einfach Nein sagen. Das muss doch möglich sein, oder?
      Happy Sunday dir <3

  2. Danke, dass du dieses Thema aufgreifst! Ich bin immer wieder erstaunt, wie selbstverständlich das Saufen heute immer noch zum Feiern dazugehört. Und zwar egal, ob in Akademiker-oder Arbeiterkreisen, egal ob bei jungen, älteren, Müttern, Vegetariern, wem auch immer…. Und die wenigen, die nicht trinken, egal ob es ihnen einfach nicht schmeckt, oder ob sie in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben, müssen sich rechtfertigen oder gelten als Spaßbremsen. Wo bleibt da die Toleranz?

  3. Wenn du es entspannt möchtest: sei entspannt. 🙂

    Du hörst dich an an wie ein Veganer auf dem Rechtfertigungstripp und für mich wäre allein das das Problem, wenn ich gastfreundlich fragen würde. Sag nein, wenn dich jemand wirklich fragt warum, sag: „krieg sofort einen Kater und will nicht leiden.“ 🙂 Du hast nicht gelogen und die Diskussion ist beendet.

    Das größere Problem sehe ich darin, dass die Alternativen so lustfrei sind. Es ist ja nicht so, als ob man nicht mal Wasser interesant aufpeppen könnte. Säfte (als Zuckerbomben außer Tomatensaft) sind auch nicht jedermanns Sache und nicht jeder will Süßes trinken. Kaffee, Bier, die meistgetrunkenen Getränke der Deutschen sind aus wohl guten Gründen eher leicht bitter. Wir sollten alle gute, interessante alkoholfreie Alternativen fordern, jenseits des blanken Wassers. Vermutlich kommt man damit viel besser zum Ziel.

    PS: ich bin neulich über deinen Blog gestolpert und finde toll, dass du solche Themen überhaupt ansprichst. Gibt Stoff zum Nachdenken.

    • Liebe Iridia, danke für dein Feedback! Inzwischen kann ich damit auch sehr entspannt und ehrlich umgehen, aber es gibt immer noch ein paar Gegenüber, die auch ein Nein einfach nicht akzeptieren wollen. Trotzdem glaube ich, dass es besser ist einfach ehrlich zu sein, statt doofe Ausreden zu erfinden, da bin ich ganz deiner Meinung. Und ja: Ich plädiere auch für mehr Wasser-Alternativen. Es gibt soooo viele tolle Sachen 😉

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