Instagram: Von Sisyphos-Arbeit, Demokratie und Quality Content

Diese Woche war es mal wieder soweit. Eigentlich hatte ich mir ja fest vorgenommen mich nicht mehr allzu oft über den Instagram Algorithmus aufzuregen und mich schon gar nicht ständig öffentlich darüber zu beschweren. Zum einen, weil ich diesem Thema nicht zu viel Raum in meinem Leben schenken möchte und zum anderen, weil ich immer denke, dass Euch diese Blogger-Beschwererei doch irgendwann mal nerven muss. Aber manchmal kann man seine eigenen Vorsätze eben nicht halten und dann rückt die Vernunft doch wieder auf den Beifahrersitz und die Emotion übernimmt das Lenkrad.

Aber manchmal kann man seine eigenen Vorsätze eben nicht halten und dann rückt die Vernunft doch wieder auf den Beifahrersitz und die Emotion übernimmt das Lenkrad.

Exakt so ging es mir Mitte der Woche und ich lud spontan eine kleine Hasstirade in meinem Stories hoch. Weil es mir zu viel wurde, weil ich frustriert war und weil ich einfach wütend war. Also schimpfte ich über den Algorithmus, Instagram und den immer gleichen Content, der einem in der App vorgesetzt wird. Von Macarons über Beach-Waves bis zu Avocado-Toasts – die Bilder und Accounts, die derzeit noch gut laufen, servieren meist leicht verdaulichen Content – und das retuschiert bis zum Gehtnichtmehr.

Versteht mich nicht falsch – auch diese Accounts haben ihre Daseinsberechtigung. Selbst wenn Bildsprache oder Inhalt vielleicht nicht meinem persönlichen Geschmack entsprechen, kann ich die Accounts trotzdem respektieren. Jeder soll machen was ihm Spaß macht und der Erfolg bestätigt diese Accounts ja schließlich auch. Würde sie keiner konsumieren oder liken, dann gäbe es sie auch nicht in dieser Vielzahl.

Deshalb sind es auch nicht die perfekt inszenierten Frühstückstische oder die bis zur Unkenntlichkeit bearbeiteten Selfies, die mich stören.

Deshalb sind es auch nicht die perfekt inszenierten Frühstückstische oder die bis zur Unkenntlichkeit bearbeiteten Selfies, die mich stören. Falls sie das tun würden, könnte ich ihnen ja schließlich entfolgen. Es ist vielmehr die Diskussion, die daraus entsteht und der zu bereitwillig verwendete Begriff des Quality Content in diesem Zusammenhang. Was soll das denn eigentlich sein? Seit wann ist Qualität eine objektiv messbare Einheit? Hab ich da was verpasst?

Was ist für Instagram qualitativ hochwertiger Content?

Jeder darf und soll für sich entscheiden was für ihn qualitativ hochwertiger Content ist und was nicht. Die Macaron-Accounts bieten ihrer Zielgruppe schließlich anscheinend genau den Content, den die sich wünschen. Also Schluss mit dieser Kategorisierung! Mir persönlich ist es nämlich ziemlich wurscht, wieviele Likes die Mädchen vor den perfekten Sonnenuntergängen bekommen – was mich dabei allerdings ärgert ist der Fakt, dass eben kein Gleichgewicht mehr gibt und Instagram und andere sozialen Medien genau das verloren zu haben scheinen, was ursprünglich mal ihren Erfolg ausgemacht hat. Nämlich die Demokratie.

Zu Zeiten bevor es Streetstyle-Fotografie oder Instagram gab, bestand die Modebranche nämlich einzig und alleine aus Designern, ein paar Fotografen und den Redakteuren der großen Modemagazine.

Zu Zeiten bevor es Streetstyle-Fotografie oder Instagram gab, bestand die Modebranche nämlich einzig und alleine aus Designern, ein paar Fotografen und den Redakteuren der großen Modemagazine. In diesem erlesenen Kreis wurde Mode gemacht, Trends erschaffen und bestimmt, was wir so alles tragen werden. Und all das fand hinter verschlossenen Türen statt. Demokratie? No way!

Dann kamen irgendwann die It-Girls um die Ecke. Mädchen wie Alexa Chung oder Cara Delevigne zierten nicht mehr nur die Front-Row oder bekamen Werbedeals mit den Top-Marken, sondern beeinflussten (influenceten) die Modebranche aktiv mit. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis Instagram auf der Bildfläche erschien und all die gut gekleideten Girls von nebenan eine Plattform bekamen. Phänomene wie Chiara Ferragni, Kristina Bazan oder Caro Daur waren geboren und plötzlich herrschte sowas wie Demokratie in der Mode.

Phänomene wie Chiara Ferragni, Kristina Bazan oder Caro Daur waren geboren und plötzlich herrschte sowas wie Demokratie in der Mode.

Mit dem richtigen Maß an Fotogenität, einem Händchen für Style und jeder Menge Ausdauervermögen, schaffen es ganz normaler Girls jetzt Millionen (im besten Fall) von Menschen zu erreichen und viele Trends werden inzwischen auf der Bilderplattform geboren. Für die großen Modeverlage ist diese Entwicklung nicht nur was Prestige, sondern auch die Verkaufszahlen angeht, natürlich ein wahr gewordener Alptraum – aber auch trotz allem anfänglichen Hoffen und Beten, dass sich diese Blogger und Influencer schnell wieder von selbst erledigen würden, wissen wir doch alle wie die Geschichte ausging.

Instagram machte Spaß – bis der Algorithmus kam

Instagram bietet jedem die Möglichkeit seine Ästhetik mit der Welt zu teilen und nicht zuletzt bin auch ich auf diese Weise von der Redakteurin zur Bloggerin geworden. Ich fand es großartig ein kreatives Outlet zu haben, das nicht durch Textchefs oder Chefredakteure zensiert wurde und auf dem ich einfach mal machen konnte was ich wollte. So wuchs ich innerhalb von einem Jahr auf 10k Follower an. Es machte Spaß, kam aus dem Bauch heraus und war easy peasy. Bis der Algorithmus kam.

Es machte Spaß, kam aus dem Bauch heraus und war easy peasy. Bis der Algorithmus kam.

Plötzlich gingen Likezahlen und Reichweite runter, der Feed zeigte mir immer nur dieselben Accounts an und mein Wachstum stagnierte. Wäre das der Punkt gewesen, meine beruflichen Pläne nochmal zu überdenken? Vielleicht – aber ich habe mich trotzdem dazu entschieden, diesen beruflichen Weg zu gehen. „Selber Schuld“, möchte man da fast sagen – aber ich glaube tief in meinem Inneren immer noch daran, dass Inhalte, Professionalität und Mühe sich auszahlen. Ist das so naiv?

In Wochen wie diesen aber, wo meine Bilder nach 15 Minuten in den Weiten der App verschwinden und ich überhaupt keinen Zusammenhang mehr zwischen der Qualität meines Posts und den Likes erkennen kann, frage ich mich wirklich, wo das noch hinführen soll. Soll ich mich einfach damit abfinden? Ab und zu mal ein Macaron in meinen Bildern integrieren? Oder mache ich vielleicht irgendwas falsch? All diese Gedanken treiben mich zur Zeit verstärkt um. Dabei ist es weder meine Erwartung, noch Motivation ins Unermessliche zu wachsen oder die Mode-Weltherrschaft an mich zu reißen – Nein, ich möchte lediglich sichtbar bleiben. Und zwar für die, die meine Inhalte als relevant erachten. So geht es doch in jedem Job zu, oder? Man leistet gute Arbeit, gibt sich Mühe und erwartet dafür, dass die eigene Arbeit Früchte trägt. Definiert man diese Früchte aber als Likes oder Wachstum, dann bleibt derzeit nur der Frust.

Der Instagram-Algorithmus sorgt für Frust

Und Euch geht es offenbar genauso. Nach meiner Instagram-Story erreichten mich so viel Nachrichten von Followern, die sich schon gewundert haben, wieso ich gar nicht mehr poste, was aber einzig und alleine daran lag, dass Instagram ihnen meine Bilder nicht ausgespielt hat – aber auch von anderen Bloggern oder Brands, die ebenfalls auf die App angewiesen sind. Der Tenor: „Same here. Ich weiß nicht mehr weiter.“

Was mich dabei immer am meisten wundert: Während Instagram stagniert oder schrumpft, läuft mein Blog immer besser und ich bin dabei mir eine feste Leserschaft aufzubauen. Deshalb vermute ich manchmal, dass es Instagram nicht wirklich passt, dass ich Euch aus der App auf meinen Blog ziehe. Aber das ist nur eine Vermutung. Trotzdem: Seitdem der Blog da ist, geht es bei Instagram bergab. Ein Grund mehr für mich, niemals alles auf ein Pferd zu setzen. Schon gar keines, dessen Zügel ich nicht selbst in der Hand halte.

Ein Grund mehr für mich, niemals alles auf ein Pferd zu setzen. Schon gar keines, dessen Zügel ich nicht selbst in der Hand halte.

Was man dabei aber leicht vergisst: Auch die großen Blogger haben zu kämpfen. Für einen verhältnismäßig kleinen Account wie meinen wirkt alles was über 50k Follower hat riesig. Da denke ich immer „Die haben es gut. Bei denen läufts ja!“. Aber als selbst Lisa Hahnbück, eine der Bloggerinnen, die ich für ihren Style, ihren Content und ihre Professionalität seit Jahren bewundere, sich auf meine Story meldete und erzählte, dass selbst sie super frustriert ist, kam ich ein wenig ins Grübeln. Auch wenn man bei den „großen“ Bloggern vielleicht nicht so sehr darauf achtet, aber auch ihre Reichweite ist in den letzten Jahren geschrumpft und statt 3 bis 5k Likes auf ein Bild, sind es jetzt auch mal nur knapp über Tausend. Ja, auch das ärgert und ist unfair. Für mich ein weiterer Beweis dafür, dass Qualität definitiv nicht ausschlaggebend ist, denn sonst wäre jemand wie Lisa davon definitiv nicht betroffen.

Für mich ein weiterer Beweis dafür, dass Qualität definitiv nicht ausschlaggebend ist, denn sonst wäre jemand wie Lisa davon definitiv nicht betroffen.

So viel Spaß die App auch macht und so sehr ich den Kontakt mit anderen Bloggern und Followern rund um den Globus auch liebe, es ist eine verdammte Sisyphos-Arbeit. Man macht und tut und rollt den Stein den Berg hinauf, nur um dann doch wieder ganz unten anzufangen. Und deshalb finde ich, darf das auch mal laut gesagt werden. Wir posten tagtäglich Bilder, die die schönen Seiten des Lebens zeigen, die inspirieren und unterhalten sollen, aber bei vielen läuft es halt auch nicht immer so rund, wie es den Anschein macht.

Dass ich dabei nicht alleine bin, ist zwar ein kleiner Trost, aber es bringt mich gleichzeitig auch noch mehr zum Nachdenken. Mein Artikel Blacklisted: Kann man den Instagram-Algorithmus eigentlich austricksen?, den ich vor vielen Monaten geschrieben habe, ist bis heute mein meist gelesener Artikel und steht bei Google auf Seite 1. Wieso? Genau weil es eben so vielen Nutzern ähnlich geht wie mir und die Leute da draußen auf der Suche nach Erklärungen und Insights nach jedem Strohhalm greifen, den sie finden können. Dabei läuft das Ganze eher nach dem Prinzip „The Blind leading the Blind“, denn eine Lösung hat ja doch niemand.

Hat Instagram seinen Algorithmus selbst nicht mehr im Griff?

Als ich neulich mit einer befreundeten Bloggerin gesprochen habe, die vor kurzem bei einem Instagram-Workshop war (Ja, das machen sie. Aber nur für sehr ausgewählte Marken), erzählte sie mir, dass laut Instagram nur noch die Accounts wachsen, die mindestens fünf Bilder am Tag posten. WTF? Alleine das zeigt mir, dass die App seinen eigenen Algorithmus halt null mehr im Griff hat. Statt die Nutzer entscheiden zu lassen was ihnen gefällt und was nicht (und zwar chronologisch) werden die Vorraussetzungen für ein gutes Ranking nur noch abstruser. Videos, IG-TV, Boomerangs, Stories und fünf Posts am Tag? Sorry, aber da ist ja nun wirklich kein Quality-Content mehr möglich (wer hat die Zeit?) und wahrscheinlich auch gar nicht erwünscht. Es scheint ein wenig zu sein, wie beim Fernsehen. Es schauen ja schließlich auch mehr Leute RTL2 als Arte. Das tue ich ja auch ab und zu – wichtig ist trotzdem, dass uns die Wahl bleibt, oder?

Es scheint ein wenig zu sein, wie beim Fernsehen. Es schauen ja schließlich auch mehr Leute RTL2 als Arte. Das tue ich ja auch ab und zu – wichtig ist aber, dass uns die Wahl bleibt, oder?

  

5 Antworten zu “Instagram: Von Sisyphos-Arbeit, Demokratie und Quality Content”

  1. Nicht aufgeben! Dass das mit dem Blog aufwärts geht, zeigt ja, dass Quality Content geschätzt wird, und ich glaube, dass der sich im Vergleich zu dem Frühstückstischen und Beach-Weaves auf Dauer durchsetzen kann. Aber ich persönlich bekomme zum Glück immer alle neuen Posts von Dir angezeigt;)
    LG Nele

    • Danke, liebe Nele! Nein, aufgegeben wird nicht 😉 Aber ich finde es unerlässlich über solche Entwicklungen zu reflektieren und auch zu schreiben. Mir ist es total wichtig, Euch gegenüber zu kommunizieren was mich bewegt und was mich vielleicht auch bremst und so an Euren Gedanken auch teilhaben zu können. <3

  2. Ich kann dich da total verstehen. Im letzten Jahr schwanke ich auch ständig zwischen Frustration und Gleichgültigkeit – sorich, manchmal denke ich, dass ich mich von alledem nicht beeinflussen lassen möchte, manchmal aber grübel ich dann doch und versuche, einen Weg zu finden. Letztendlich ist es wichtig, sich wirklich nicht auf ein Medium zu verlassen (und dass es mit deinem Blog so gut läuft, spricht ja auch für dich) und sich nicht durch die Frustration lenken zu lassen. Wenn es nicht möglich ist, den gleichen Content, den man sonst postet, fünf Mal am Tag zu posten, dann sollte man lieber bei einem Mal pro Tag bleiben. Denn ehrlich, selbst wenn man wachsen würde, würde es sich am Ende wohl doch nicht richtig anfühlen – zumindest nicht dann, wenn es Content ist, hinter dem man nicht mehr zu 100 Prozent stehen kann.

    • Da hast du so Recht!!! Um so viel Content in der Masse zu produzieren, braucht man ein ganzes Team. Als Einzelperson ist das wirklich nicht zu leisten. Trotzdem ist der Frust manchmal da und ich finde es auch wichtig den zu kommunizieren. Denn es ist eben nicht alles Rosa Zuckerwatte. Auch nicht bei uns Bloggern 😉

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