Früher war alles besser: Von neuen Medien und alten Leiern

Ich bin böse. Ziemlich böse sogar.

Ich bin böse. Ziemlich böse sogar. So böse, dass ich mit diesem Artikel auch nicht bis zum Sonntag warten konnte, an dem ja üblicherweise meinen Kolumnen online gehen. Nein, das muss aus gegebenem Anlass einfach raus. Und zwar sofort.

Am Sonntag stolperte ich über diesen Artikel der lieben Franzi aka Zukkermädchen, die sich wiederum auf diesen Artikel der FAZ bezieht. Besagter Artikel, nun ja – nennen wir es mal beschäftigt sich mit Über-Influencerin Chiara Ferragni und ihrem frisch geborenen Sohn Leo. Okay, das war eigentlich alles viel zu nett ausgedrückt. Der Titel des Artikels lautet „Wenn Narzissten Kinder kriegen“ und ist eine einzige, uninformierte und vor Vorurteilen triefende Hass-Tirade auf den Beruf des „Influencers“.

Ich setze dieses Wort bewusst in Anführungszeichen, da ich das Label selbst ganz und gar nicht leiden kann, aber des Verständnisses halber, werde ich den Begriff hier benutzen. Die Autorin des Artikels unterstellt Ferragni, dass sie ihr Kind nur aus einem Grund bekommen hat. Nämlich um mit ihrem Baby Geld zu machen, da sie selbst ja so langsam in die Jahre kommt. Wie hirnverbrannt und aufmerksamkeitsgeil diese Theorie ist, muss ich an dieser Stelle gar nicht näher ausführen, denke ich. Das hat Franzi in ihrem Artikel schon zur Genüge getan.

Wie hirnverbrannt und aufmerksamkeitsgeil diese Theorie ist, muss ich an dieser Stelle gar nicht näher ausführen, denke ich.

Dabei geht es bei meiner Wut eigentlich kein bisschen um Chiara Ferragni selbst. Vielmehr ist es die unfassbare Arroganz, die Ignoranz und der unbändige Hate (und das auch noch aus der Position einer Frau) mit dem diese Zeilen verfasst wurden. Ich habe ja bereits hier vor einigen Wochen beschrieben, dass ich nicht verstehe wieso sich manche Leute so exzessiv über die Selbstdarstellung anderer aufregen können. Aber dass manche Leute sich wirklich einbilden, sie wären in irgendeiner Form ermächtigt, sich aus den Schnipseln, die jemand auf Social Media zeigt (gut, im Fall von Ferragni sind es ein paar mehr als bei anderen), ein Gesamtbild dieser Person zu machen, sie aufs Übelste zu kritisieren und sogar Diagnosen wie „Narzissmus“ stellen zu dürfen, triggert bei mir nicht nur Unverständnis, sondern Wut.

Ob man sein Baby jetzt auf Instagram zeigt, oder wie so viele andere mit Emojis & Co. unkenntlich macht, interessiert mich ehrlich gesagt herzlich wenig. Und die Autorin sicher auch nicht. Denn es geht hier nicht im Geringsten um das Wohl des kleinen Leo. Alles worum es geht ist zu haten, zu attackieren und Klicks zu generieren. Traurig, liebe FAZ.

Ihr merkt schon – als ich den Artikel gelesen hab, war ich böse. Was das Faß für mich persönlich allerdings zum Überlaufen gebracht und mich animiert hat, diesen Artikel zu schreiben, war folgender Kommentar eines Lesers (bei dem ich mir übrigens erlaubt habe, die Rechtschreibfehler auszubessern):

„Das eigentlich Bedenkliche an dieser Geschichte ist nicht der Narzissmus dieser ‚Beeinflusser‘ (Manipulatoren), sondern dass sie einer überwältigenden Masse an Jugendlichen als Vorbild dienen, so nach dem Motto ‚Posen statt arbeiten‘ (die Influencer betrachten ihre Selbstdarstellung jedoch als ernsthafte Arbeit) und das Geld regnet anschliessend vom Himmel. Kann man jeden Morgen in Nahverkehrszügen erleben, wenn man mal sein Handy beiseite legt und die anwesenden Jugendlichen genauer beobachtet. Mir graut es davor, dass diese Leute einmal in der Zukunft unsere Rente sichern sollen.“

Dieser einfältige und unreflektierte Herr (dessen Namen ich hier nicht nennen will) bestätigt, was ich ich schon länger vermute. Der Hass, die Abneigung und Ignoranz den bösen, bösen Influencern gegenüber wird nämlich durch eine einzige, sehr wichtige Emotion befeuert: Angst!

Dieser einfältige und unreflektierte Herr (dessen Namen ich hier nicht nennen will) bestätigt, was ich ich schon länger vermute. Der Hass, die Abneigung und Ignoranz den bösen, bösen Influencern gegenüber wird nämlich durch eine einzige, sehr starke Emotion befeuert: Angst! Die Leute, die solche Artikel schreiben und die, die sie (wie in diesem Fall) kommentieren, haben in meinen Augen schlicht und einfach Angst. Angst vor dem, was sie nicht kennen und vor allem nicht verstehen: Diese sozialen Medien, diese Blogs, dieses Internet. Wo alle immer nackt sind und ausschließlich über doofe und irrelevante Dinge reden. Und die sind sogar gefährlich, wenn man dem Herrn glaubt, der schließlich große Angst um seine Rente hat.

Was seit ein paar Jahren mit unserer Medienwelt passiert, ist eine ziemlich starke Wende. Ein Wechsel. Und der macht zunächst immer Angst. Das verstehe ich komplett. Aber gerade deshalb ist es doch umso wichtiger, dass auf politischer und gesellschaftlicher Ebene aufgeklärt, geschult und unterstützt wird. Und nicht nur blind kritisiert. Denn eins ist sicher: Die Vernetzung, die wir derzeit erleben wird nicht wieder weg gehen. Deshalb müssen wir sie verstehen, hinterfragen und uns mit der Thematik auseinandersetzen, statt plump und unreflektiert laut „Ihr seid doch alle doof!“ zu rufen, die Zunge rauszustrecken und sich umzudrehen. Ganz nach dem Motto „Früher war alles besser!“

Deshalb müssen wir sie verstehen, hinterfragen und uns mit der Thematik auseinandersetzen, statt plump und unreflektiert laut „Ihr seid doch alle doof!“ zu rufen, die Zunge rauszustrecken und sich umzudrehen.

Natürlich birgt das Internet und soziale Netzwerke wie Instagram & Co. Risiken. Deshalb sollten Kinder und Jugendliche aufgeklärt werden und den Umgang mit den neuen Medien beigebracht bekommen. Aber manchmal denke ich, dass wir uns weniger Sorgen um die Jugend machen müssen, die sowieso schon selbstverständlich und offen an die Sache herangeht, sondern vielmehr um diejenigen, die sich dagegen wehren und sich nicht anders zu helfen wissen, als um sich zu beißen. Mit ihnen müsste man sich hinsetzen, ihnen zeigen wie das alles funktioniert, was da genau passiert und welche Möglichkeiten sich ihnen dadurch bieten. Es gibt da draußen nämlich noch viel mehr als Chiara Ferragni und Caro Daur. Alle Blogger und Influencer über einen Kamm zu scheren ohne sich vorher zu informieren ist peinlich und nicht gerade journalistisch.

Alle Blogger und Influencer über einen Kamm zu scheren ohne sich vorher zu informieren ist peinlich und nicht gerade journalistisch.

Mir ist schon klar, dass mein Job für viele Firlefanz ist – ein Hobby. Aber, wie ich schon mehrfach erklärt habe, unterscheidet sich mein derzeitige Alltag als Blogger nicht groß von meiner Tätigkeit als Redakteurin bei einem großen, renommierten Printverlag. Und ich wage zu behaupten, dass dieser Arbeitsalltag in vielen Belangen auch dem, der lieben FAZ-Autorin ähnelt. Es gibt gute und schlechte Blogger, so wie es gute und schlechte Ärzte gibt und eben auch gute und schlechte Journalisten (siehe besagte Autorin). Leute, die Ihre Arbeit ernst nehmen und gut machen wollen. Was zur Hölle kann man daran noch haten? Versteh ich nicht. Das will mir einfach nicht in den Schädel.

Es gibt gute und schlechte Blogger, so wie es gute und schlechte Ärzte gibt und eben auch gute und schlechte Journalisten (siehe besagte Autorin). Leute, die Ihre Arbeit ernst nehmen und gut machen wollen. Was zur Hölle kann man daran noch haten? Versteh ich nicht. Will mir einfach nicht in den Schädel.

Vielleicht fragt Ihr Euch, wieso ich bei dieser Thematik so emotional reagiere. Das liegt daran, dass genau diese Engstirnigkeit der traditionellen Medien, mit einer der Gründe war, wieso ich meinen Job gekündigt habe. Weil dieser Generationskonflikt genauso bei den großen Mode-Printverlägen an der Tagesordnung steht und es ein ständiger Kampf darum ist, zu beweisen, dass durch Instagram & Co. nicht nur besagter Firlefanz, sondern auch wahnsinnig viel Positives erreicht werden kann. Ich fing vor Jahren als Praktikantin bei einem reinen Printtitel an und habe den Wandel der Branche am eigenen Leib erfahren. Nach fünf Jahren habe ich mich allerdings weiter entwickelt und meine Liebe zur Unmittelbarkeit von Instagram & Co. entdeckt. Ich habe schätzen gelernt wie toll es ist, eine Stimme zu haben, ohne sich bis Mitte 40 zu einer Position vorkämpfen zu müssen, an der mir dann offiziell eine Stimme verliehen wird.

Ich habe schätzen gelernt wie toll es ist, eine Stimme zu haben, ohne sich bis Mitte 40 zu einer Position vorkämpfen zu müssen, an der mir dann offiziell eine Stimme verliehen wird.

Das Internet hat für die Modebranche vieles geändert. Firmen, PR-Agenturen und besonders Journalisten sind jetzt gezwungen sich damit auseinanderzusetzen und zu überlegen, wie sie mit den neuen Medien und deren Konsumenten umgehen wollen. Denn diese „dumme Jugend“, die sich den ganzen Tag Nonsens auf Instagram ansieht, sind die Magazinkäufer von morgen. Es reicht nicht bloß bestehende Abonnenten glücklich zu machen. Es muss auch an die Zukunft gedacht werden. Warum sind Blogs und soziale Medien denn so beliebt? Weil sie eine Glaubwürdigkeit haben, die den Magazinen inzwischen leider aberkannt wurde.

Weil sie eine Glaubwürdigkeit haben, die den Magazinen inzwischen leider aberkannt wurde.

Weil sie schnell reagieren können und man ein Gesicht zum geschriebenen Wort vor Augen hat. Das muss ja nicht Jedermanns Sache sein. Alte und neue Medien können doch nebeneinander existieren und alle wären happy. Aber Nein – nicht so lange Hater wie die liebe Autorin der FAZ oder der unreflektierte Kommentator unterwegs sind. Denn egal was die „Influencer“ machen – ob sie sich für den Weltfrieden oder den neusten Lippenstift einsetzen – für diese Leute wird es immer geldgeiler Firlefanz bleiben. Deshalb werden meine Worte auch ziemlich sicher für die Katz sein. Und trotzdem: Wir sind nicht alle brainwashed, dumm und gefährlich. Wir sind eine Generation, die dieser medialen Entwicklung offen gegenüber steht und sie für sich selbst zu nutzen weiß. Alles wird irgendwann anders. Und dagegen kann sich niemand wehren, auch nicht die FAZ.

Alles wird irgendwann anders. Und dagegen kann sich niemand wehren, auch nicht die FAZ.

P.S.: Die Kommentarfunktion unter dem Artikel wurde leider gesperrt. Ich frage mich warum…

 

  

4 Antworten zu “Früher war alles besser: Von neuen Medien und alten Leiern”

  1. Habe den Artikel aufmerksam gelesen und schliesse mich deiner Meinung in allen Punkten an. Für mich persönlich tut sich da gar kein Problem auf, ich halte es mit der Devise: Leben und leben lassen. Gefüllt etwas nicht oder sagt es mir nicht zu, dann sehe ich mir das nach meiner Meinungsbildung nicht mehr an. Gefällt mir das Niveau nicht, was in diesem Fall der Autorin ja wohl do gewesen ist, würde ich persönlich dieses (recht dubjektiv gedachte) Niveau nicht nich unterbieten durch Hasstiraden. Klasse hat das nicht, Stil hat es auch nicht, professionell ist es schon gleich gar nicht. Es gibt das kleine Sprüchlein: Was du über mich denkst, das bin nicht ich, das bist du. Fie Autorin sollte einmal den Grund ihrer Agression hinterfragen, eine normale Reaktion ist dies nicht. Einen reisserischen Artikel zu liefern, in dem ich eine mir eigentlich fremde Person „zerreisse“, ist nicht sehr seriös, sagt mehr über die Autorin als über die „Influenzerin“ aus und ist mehr „Trash“, aks jedes einzelne Foto der besagtwn Influenzerin.
    Mir persönlich ist sehr wohl klar, dass, obwohl man es fast immer nur mit schönen Dingen zu tun hat, dieser Job hätte Arbeit ist. Ihr müsst davon leben, ihr müsst immer aktuell sein, die Trends genau kennen und jedes Bild und auch jeder Text will mefientauglich aufgearbeitet werden….und..und..und…Trivial ist das nicht und es steckt eine jede Menge Energie dahinter. Deine Seite hat (so weit ich das beurteilen kann) ein hohes journalistisches Niveau, informiert, unterhält, ist aktuell ….und macht viel Spass und Freude. Visuell ist es ein Genuss (für meinen Geldbeutel weniger) und ich liebe den Blog. Meine Wertschätzung ist dir sicher???.
    Lieben Gruss und bis bald mal wieder. Lasst euch nicht demotivieren durch solche negativ eingestellten Leute, die nicht am Zahn der Zeit sind????

    • Liebe Gaby,
      da hast du den Nagel komplett auf en Kopf getroffen. Im Grunde geht es ja auch gar nicht nur um diesen einen Artikel. Der hätte mich wahrscheinlich eher müde lächeln lassen, als dass ich mich so echauffiert hätte, es ist die allgemeine und so leicht dahin gesagte Aussage „Bloggen ist kein Beruf“, gegen den so viele meiner Kollegen und jetzt auch ich, ankämpfen müssen. Deshalb freut es mich umso mehr, Leser wie ich zu haben, die schätzen was ich tue und ein wenig reflektieren 😉
      Ich wünsche dir einen schönen Abend <3

  2. Ach Pfiff, Deppen gibt’s überall – auch bei der FAZ. Ungebremstes haten fällt für mich außerdem ganz klar unter schlechte Manieren. Und nachdem ich als Online-Redakteurin in Printverlagen arbeite, kenne ich den „Generationenkonflikt“ und glaube, der wird sich in nicht allzuferner Zeit einfach von selbst erledigen. Fest steht, dass Du und viele Deiner Bloggerkollegen ganz ohne Frage gute und ordentliche Arbeit leistet, über die ich mich als Leser freuen darf. Danke dafür. Was mich allerdings schon auch bewegt ist der Einfluss der Instagram-Ladies, die mit Filtern und inszenierten Leben ein Ideal vorgeben, das erschreckend viel Einfluss hat. Und das finde ich in einiger Hinsicht unschön – angefangen von propagierten Schönheitsideal über unreflektierten Konsum (Avocados sind sowas von gar kein nachhaltig und ökologisch verträgliches Food – aber wenn’s jeder zweite InstaInfluencer auf seinen Toast packt…) bis zum Frauenbild. Klar kann ich die entsprechenden Ladies einfach ignorieren und natürlich sind die keine faulen Fieslinge – das Gewicht, das ihnen in unserer Gesellschaft zugemessen wird, finde ich trotzdem nicht gut.

    • Da hast du absolut Recht. Bin ich persönlich auch kein allzu großer Fan von – aber alle in einen Sack zu stecken und drauf zu hauen ist eben auch keine Lösung. Ich bin wirklich gespannt wo das alles so hingeht. In den letzten Jahren hat sich da so viel getan, ich glaube das sortiert sich alles nochmal ordentlich. Vielen Dank Dir für deine Meinung und ganz liebe Grüße, K.

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